2 subscriptions and 1 subscriber
Article

Tier-Präparator Pluntze: „Ich bin ein Detail-Futzi" - BILD-Serie Teil 2

Ob Bestatter oder Tatortreiniger: Der Umgang mit Tod und Leichen ist kein alltäglicher Job. In der BILD-Serie geben Menschen Einblicke in ihren Berufsalltag. Von blutigen Begebenheiten und emotionalen Momenten - Teil 2: Der Tier-Präparator. Was tun, wenn das geliebte Haustier tot ist? Viele Menschen können sich von Hund, Katze oder Kaninchen einfach nicht trennen und lassen es ausstopfen. Für manche ist es makabere Tierliebe, für Frank Pluntze (50) jedoch Alltag. Denn der Tod ist der Beginn seiner Arbeit.

Frank Pluntze hält einen zehn Zentimeter langen Draht in der rechten Hand. Darum wickelt er weiße Watte. Schicht für Schicht: Kleber, Watte, Kleber, Watte. „Das wird der Schwanz von einem Fuchs", erzählt der Tier-Präparator und dreht den Stab weiter.

Pluntzes Arbeitsplatz in Berlin Köpenick ist in einem Naturkundemuseum. Der Eingangsbereich der Präparationswerkstatt: ein tierisches Potpourri. Rechts an der Wand hängen Hecht, Barsch und Dorsch mit aufgerissenen Mäulern. Waschbär und Dachs stehen freundlich lächelnd daneben, eine Maus frisst sich durch ein Stück Käse. Links ragt ein ausgestopfter Bock inmitten einer Felslandschaft in den Raum. Leicht hochnäsig wirkt sein Blick. Die Körperhaltung: majestätisch.

Einen Raum weiter befindet sich die Werkstatt. Das Herzstück. Hier riecht es nach Holz, Farbe und Formaldehyd. Ein Generator brummt im Hintergrund. In einer Nierenschale liegen Chirurgeninstrumente: Skalpelle, Scheren, Pinzetten. Aus einer weiteren Schale glotzen Glasaugen in allen erdenklichen Farben und Formen.

„Der Aha-Effekt darf nicht fehlen"

Frank Pluntze steht an der Werkbank. Vor ihm liegt eine rot-braune Fellhülle. Ein Fuchs, der vor einem halben Jahr tiefgefroren zu dem Tier-Präparator gebracht wurde. Das Fell hat Plumtze mit einem Skalpell vom Körper gelöst. Blut fließt dabei selten: „Nur wenn das Tier verletzt ist oder ich versehentlich ins Fleisch schneide", so Pluntze. Der nackte Kadaver landet im Sondermüll.

Was bleibt, ist eine saubere Hülle. „Damit der Bursche nicht schimmelt und die Haut elastisch bleibt, lag er ein paar Wochen in einer leichten Alkohollösung", sagt er, während er penibel das Fell nach Schäden untersucht. Mit einer speziellen Bürste kämmt er die Fuchsrute. Die Metallzinken kratzen unüberhörbar über die Holzoberfläche der Werkbank.

Der Präparator rollt weißes Garn von einer Spule und vernäht den mit Watte umwickelten Draht, der den Schwanzknochen des Fuchses ersetzt, mit dem Fell. „Alles wird von Grund auf mit zwei Händen gefertigt - ein Unikat", sagt er, „Jede Arbeit ist eine neue Herausforderung für mich. Der Aha-Effekt darf zum Schluss nicht fehlen."

Präparator aus Leidenschaft

Seit 38 Jahren ist Frank Pluntze Tier-Präparator. Mit zwölf entdeckte er seine Leidenschaft für das Handwerk: „Für diesen Job muss man schon ein bisschen verrückt sein und ein großes Herz für Tiere haben". Er ist ein Naturbursche: Nicht besonders groß, dunkle volle Haare, Schnauzer, Bauchansatz. Unter seiner knielangen, braunen Schürze trägt er ein weißes Poloshirt und eine Stoffhose. „Mein erstes Präparat war eine Maus. Das würde ich aber keinem empfehlen. Man sollte lieber mit Tieren anfangen, die etwas handlicher sind. Meerschweinchengröße", berlinert er und lacht.

Noch immer haftet an dem Berufsbild ein schlechter Ruf. Pluntze muss sich regelmäßig gegen Vorurteile und Unwahrheiten, die seinen Job betreffen, wehren. Dass Präparatoren wie Metzger arbeiten und erst Organe und Gedärme eines Tieres entfernen müssen, sei Quatsch. „Das ist eine saubere Angelegenheit. Das muss ich meinen Praktikanten auch immer erst erklären. Die kommen nämlich hierher und wollen herausfinden, ob sie Blut sehen können, weil sie später in der Pathologie arbeiten wollen", sagt er. Auch das nur alte Damen in Pluntzes Werkstatt kommen, die den Tod ihrer Katze nicht akzeptieren wollen, ist ein Ammenmärchen: „Meine jüngste Kundin war ein 17-jähriges Mädchen. Sie wollte ihr Kaninchen präpariert haben."

Haustierbesitzer, die ihr Tier für alle Ewigkeit erhalten wollen. Für Frank Pluntze ist das die Königsdisziplin: Mimik, Gestik, Muskulatur und Fell originalgetreu nachzubilden. „Wenn die Besitzer ihre Tiere abholen und auf gut Deutsch Rotz und Wasser heulen, dann weiß ich, dass ich einen guten Job gemacht habe".

Qualität hat ihren Preis

Frank Pluntze arbeitet die letzten Feinheiten am Fuchsschwanz heraus. Er bezeichnet sich selbst als „Detail-Futzi". Er legt viel Wert auf Qualität und Aussehen. Die Zeit ist dabei sein größter Feind, doch der erfahrene Präparator nimmt sie sich einfach: „Damit müssen meine Kunde einfach leben. Ich bin Perfektionist." An Arbeit mangelt es dem Berliner nicht. An einem Regal in der Werkstatt hängen an Wäscheklammern gut sechs Notizzettel mit Kundenwünschen. In einem Kalender an der Werkstatttür stehen weitere mit Bleistift geschrieben.

Bis der Fuchs mit Beute im Maul von einem Stein läuft, wird noch gut eine Woche vergehen. Als nächstes wird der 50-Jährige einen Körper aus Holzwolle anfertigen. Darauf wird dann das Fell gezogen und vernäht. „Für das Präparat brauche ich noch zwei Tage. Dann muss es langsam an der Luft trocknen und geschminkt werden", erzählt er.

Die Ansprüche seiner Kunden sind hoch. Das tote Tier einfach auf ein Brett nageln, kommt da nicht in Frage. Pluntze fertigt für jedes Präparat ein eigenes Biotop an. In großen, grauen Plastikkisten lagern dafür künstliche Äste, Steine, Gräser und Moose. Preislich sind da keine Grenzen gesetzt: „Jeder kann sich vorstellen, dass dieses Handwerk nicht ganz billig ist. Da ist es nicht mit 250 Euro getan", so der Berliner, „Mit ein bisschen Pflege hält so ein Präparat dann 40 bis 60 Jahre. Daran hat eine ganze Menschengeneration Freude."

Original