Interview Christiane Müller-Lobeck
taz.am wochenende: Frau Nunn, „Zeit der Finsternis" ist Ihr vierter Krimi, der im Südafrika der frühen 1950er Jahre angesiedelt ist. Ihr Ermittler Emmanuel Cooper, eigentlich ziemlich hardboiled, ist gerade Vater geworden. Wie viel Malla Nunn steckt in Emmanuel Coopers Kind?
Malla Nunn: Eine Menge. Ich wurde ein paar Jahre später geboren, in Swasiland. Mein Vater ist etwas dunkelhäutiger als meine Mutter. Er gehörte zu dem Teil der Bevölkerung, den man in der Apartheidzeit coloureds nannte, also alle, die nicht als schwarz und auch nicht als weiß galten. Meine Eltern mussten zu drei verschiedenen Richtern gehen, und alle weigerten sich, ihnen die Heiratserlaubnis zu geben, denn es war für Weiße illegal, Nichtweiße zu heiraten. Wie Kommissar Cooper und seine Frau gehörten meine Eltern also verschiedenen Rassekategorien an.
Sie waren noch Grundschülerin, als Ihre Familie 1970 nach Australien auswanderte. Da hat man doch sicher vieles vergessen?
Na ja, ich war immerhin fast zwölf, als wir das Land verließen. Das waren prägende Jahre. Ich erinnere mich sehr stark daran, wie alles aussah, an Empfindungen und Gerüche. Die Schule, auf die ich ging, war speziell für gemischte Kinder. Wir fühlten uns immer wie ein eigener Stamm. Ich bin in einer ländlichen Gegend aufgewachsen, in einer kleinen, streng religiösen Community. Wir lebten ziemlich rückständig. Trotzdem ging es in Swasiland vergleichsweise liberal zu, denn wir lebten unter britischem Protektorat. Es herrschte zwar, wie unter den Buren im übrigen Südafrika auch, Segregation. Aber immerhin wurde man nicht schon allein deshalb ins Gefängnis gesteckt, weil man untereinander Beziehungen einging.
Ihr Ermittler hat sich diesmal nach Johannesburg versetzen lassen, um bei seiner Frau sein zu können. Dort kommt nach einem brutalen Überfall auf eine weiße Familie in einem der edleren Viertel ein Mann ums Leben. Die Tochter sagt aus, es seien schwarze Jugendliche gewesen. Sie lügt, was Cooper als Einziger bemerkt. Als er deshalb suspendiert wird, ermittelt er weiter. Wie haben Sie sich diesen Typen ausgedacht?
Ich hab überlegt, wie brauche ich ihn? Welche Perspektive soll er auf das Land, in dem er lebt, haben? Ich habe eine Reihe von Verwandten, die Veteranen sind, aus beiden Weltkriegen. Soldat werden war damals fast die einzige Möglichkeit, mal aus dem Land herauszukommen und etwas von der Welt zu sehen. Also machte ich Cooper zu einem Kriegsveteranen. In den blutigen Kriegen in Europa mit ihren zerstörten Landschaften sahen die nichtweißen Soldaten auch, dass es nicht so weit her ist mit der Zivilisiertheit, mit der die Weißen ihre Überlegenheit begründen. Cooper, der zwar als Weißer eingestuft wird, aber als coloured aufwuchs, sollte genau diesen Blick haben.
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