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„Es ist reine Mathematik“

„Es ist reine Mathematik“

Trier ist reich an römischen Kunstschätzen und arm an Geld. Das hindert den Duisburger Sammler und Bauunternehmer Hans Grothe nicht, der Stadt ein Museum für zeitgenössische Kunst schmackhaft zu machen.

Ohne Leidenschaft und Geschäftssinn hätte Hans Grothe weder als Bauunternehmer noch als Sammler groß etwas werden können. Wie eng diese beiden Eigenschaften zusammengehören können, haben nicht wenige Museen im Umgang mit dem Duisburger lernen müssen, nicht zuletzt das Kunstmuseum Bonn. Jetzt ist es an der Stadt Trier, ein Angebot zu prüfen, das der Kommune – in bewährter Kombination – Dauerleihgabe und Museumsgehäuse verspricht.

Eine Kunsthalle mit 1.500 Quadratmetern möchte Hans Grothe bauen, der Stadt schenken und zurückmieten, und so der mit antiken Kunstschätzen reich ausgestatteten Stadt Trier einen Ort auch für die zeitgenössische Kunst bescheren. „Meine Idee ist, dass Trier zehn Exponate aus der römischen Spätantike mit zehn bis 15 ausgewählten Leihgaben aus meiner Sammlung kombiniert“, erläutert der Duisburger Baulöwe seinen Plan. Er könne auch in Düsseldorf eine Halle bauen und mit 20 Werken von Anselm Kiefer bespielen. Doch die Möglichkeit, zeitgenössische mit der römischen Kunst zu konfrontieren. Das gebe es nirgendwo, nur in Trier.

Grothe veräußerte zwar 2005 den größten Teil seiner lange im Kunstmuseum Bonn verwahrten Kunstsammlung an das Darmstädter Sammlerehepaar Ströher (heute Museum Küppersmühle, Duisburg). Doch einen kleinen Bestand hat er für Trier noch in der Hinterhand, darunter Werke von Baselitz, Markus Lüpertz, Immendorff und A.R. Penck. Auch „etwas“ von Polke sei dabei, und von Kiefer, obwohl Grothe einen Gutteil seiner weltweit einzigartigen Kiefer-Sammlung bereits der Kunsthalle Mannheim geliehen hat. (Siehe Handelsblatt Online 11.7.2014).

3 bis dreieinhalb Millionen Euro würde die Halle in Trier kosten. Hinzu käme nach den Vorstellungen Grothes ein weiteres Gebäude mit Eigentumswohnungen oder ein Hotel, mit dem sich Geld verdienen lässt. Der Reinerlös würde abzüglich der üblichen Belastungen in den Unterhalt der Kunsthalle fließen. Die Werke aus seiner Sammlung würden eine Dauerleihgabe mit einer Laufzeit von 25 bis 30 Jahren.

Oberbürgermeister Wolfram Leibe kann sich mit der Idee eines Kunstmuseums für Trier anfreunden. „Trier ist ja nicht nur die frühere römische Kaiserstadt mit ihren monumentalen Baudenkmälern aus einer glanzvollen Epoche. Wir sind auch eine lebendige und moderne Universitätsstadt mit 20.000 Studenten und erfreuen uns einer attraktiven Kunst- und Kulturszene“, gibt er auf Nachfrage zu bedenken. „Natürlich würde auch eine Kunsthalle mit moderner Kunst sehr gut zu uns passen.“

Doch weiter sind die Pläne, die erst vor wenigen Wochen von der örtlichen Presse veröffentlicht wurden, noch nicht gediehen. Mit dem erst seit April 2015 amtierenden Oberbürgermeister hat Grothe noch nicht gesprochen; wohl aber mit dessen Vorgänger, Klaus Jensen, was schon eine Weile her ist. Ein Staatssekretär des zuständigen Ministeriums aus Rheinland-Pfalz sei mit dem Gedanken an ihn herangetreten, auf der Loreley am Rhein Anselm Kiefer zu präsentieren, erinnert sich der Duisburger. „Auf keinen Fall“, hätte er ihm geantwortet. Kiefer würde in jede größere Stadt passen, aber nicht auf die Loreley. So kam Trier ins Spiel.

Verkompliziert wird die Museumsidee für Trier, weil Grothe sich als Grundstück ein „phantastisches Filetstück“ direkt gegenüber den Kaiserthermen ausgeguckt hat, erläutert Hans-Günther Lanfer, Pressereferent der Stadt. Es gehört nämlich dem Land und wird zurzeit noch von der Polizei genutzt. Außerdem wird es als möglicher Standort für die Feuerwehr-Hauptwache gehandelt, die einer zentraleren Lage wegen umziehen muss.

Deshalb möchte Grothe zunächst das Gespräch mit dem Land suchen, um sich über den Preis für das Grundstück zu einigen. „Ich bin kein Mäzen“, stellt der Sammler klar. „Es ist reine Mathematik.“ Die Bezahlung für das Grundstück sei die Halle.

Sollte der Deal mit dem Land gelingen, wird sich Trier dennoch sehr genau überlegen müssen, ob die Rechnung Grothes aufgeht. Rund 110.000 Einwohner zählt die hoch verschuldete Stadt, inklusive aktuell 3.000 bis 4.000 Flüchtlingen. Ein Museum endlich auch für die jüngere Kunst wäre zwar schön. Doch das in einer Zeit, in der schon die Bewahrung des Bestehenden schwierig ist? Andere mittelgroße Städte, die unter prekären finanziellen Verhältnissen leiden, denken inzwischen ernsthaft darüber nach, ihre Kunstmuseen zu schließen. Ein dramatisches Beispiel liefert aktuell Leverkusen (siehe Handelsblatt v. 26.2.2016). Aber auch Bergisch-Gladbach weiß nicht, wie an dem chronisch unterfinanzierten Museum Villa Zanders noch gespart werden kann (s. Handelsblatt v. 6.2.2015). Die FDP forderte nun zuletzt sogar den Verkauf der Villa. Die Linke spricht vom „Euro Grab Villa Zanders“.

Vermutlich ist die Zeit für Grothes Museumsidee noch nicht reif. Zum Schluss sei an das Schicksal der Sammlung Martin Schunk erinnert. Sie fiel 1987 durch das Vermächtnis des Sammlers an die Stadt, allerdings unter der Auflage, sie zu präsentieren. Weil Trier nicht in der Lage war, die moderne Kunst dauerhaft zu zeigen, gab sie diesen Teil der Sammlung später wieder zurück.
Zuerst erschienen auf den Printseiten des Handelsblatts am 1./2./3. April 2016