Im Keller des forensischen Forschungszentrums von wird der Tod nach ISO-Norm 17025 behandelt. Sie legt fest, nach welchen Standards Labore arbeiten, wie sie messen und kalibrieren. Gerade bohrt ein Mitarbeiter normgerecht mit einem feinen Bohrer in ein Stück Oberschenkelknochen, um aus dem Knochenpulver ein DNA-Profil zu erstellen.
Dass sie hier streng nach internationalen Standards arbeiten, ist Igor Davydenko, dem Leiter der Einrichtung, die zum Innenministerium gehört, wichtig, denn jede Information, die hier gewonnen wird, kann einmal ein Nachweis dafür sein, dass russische Soldaten Kriegsverbrechen begangen haben. Wichtig ist die Akribie auch, damit möglichst viele Leichen identifiziert und die Toten von ihren Angehörigen würdevoll begraben werden können.
Die Leichen, um die es hier geht, sind vor allem jene aus der ostukrainischen Kleinstadt Isjum, die dort im September gefunden wurden. Zwar nicht in einem Massengrab, wie es zunächst hieß, aber dennoch: notdürftig verscharrt in einem Waldstück neben dem Friedhof, weil dort kein Platz mehr war. Fast 500 Gräber haben die Ermittler hier entdeckt. 22 Soldaten, der allergrößte Teil jedoch waren Zivilisten. 213 Frauen, 197 Männer, sieben Kinder. Zwölf Leichen so entstellt und so stark verwest, dass sogar die Profis in den Laboren nicht mehr über sie sagen können. Lokale Behörden gaben an, dass während der Monate russischer Besatzung weit mehr als 1.000 Zivilisten in Isjum gestorben seien.
Vor dem Krieg hatte die Stadt Isjum knapp 50.000 Einwohner und Einwohnerinnen. Als die russische Armee im Februar ihre Invasion startete, floh mehr als die Hälfte von ihnen. Anfang März besetzten die Angreifer die Stadt, weil sie auf einer wichtigen Versorgungsroute zwischen dem Donbass und Charkiw liegt. Anfang September gelang es ukrainischen Soldaten, die Besatzer zurückzudrängen und Isjum zu befreien.
Dmytro Tschubenko schaut die Opferzahlen in seinem Handy nach, um ganz sicherzugehen. Der 30-Jährige - breites Gesicht, Dreitagebart - ist Ermittler der Region Charkiw. Seine Aufgabe ist es, Kriegsverbrechen aufzuklären. Der Jurist koordiniert vor allem, denn es sind viele Stellen daran beteiligt: Das Militär hat eigene Ermittler, Tschubenko kooperiert eng mit der und dem ukrainischen Geheimdienst. Und er arbeitet mit Forensikern wie denen im DNA-Labor. Jedes Detail kann von Bedeutung sein: Todesursache und Todeszeitpunkt, Spuren, die auf Folter hindeuten, die Art und der Ort, wo Leichen begraben wurden, ihre Körperhaltung. Schusswunden in den Knien. Tschubenko sammelt die Fakten, um für später Prozesse vorzubereiten.
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