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Indien trauert um die Queen: "Haben sie aus der Ferne bewundert"

Elizabeth II. war auch Oberhaupt der 56 Commonwealth-Staaten, darunter Indien. Zum "Juwel der Krone" hatte die Queen eine enge Verbindung. Viele Inder trauern um die Monarchin - doch es gibt auch kritische Töne zur Rolle des Königshauses.

Im Foyer des britischen Kulturzentrums in Delhi begrüßt ein Porträt von Königin Elizabeth II. die Besucherinnen und Besucher aus einem goldverzierten Rahmen. Ein Aufsteller davor zeigt eine Beileidsbekundung an König Charles III. und die königliche Familie.


Shahab Abidi ist gerade mit seiner Tochter aus dem Gebäude getreten. Der IT-Manager hat sie bei einem Sprachkurs angemeldet, Englisch sei schließlich international die wichtigste Sprache. Vom Tod der Queen hatte er zufällig auf der Webseite der Sprachschule erfahren. "Es ist ein trauriger, schwerer Verlust. Wir haben sie aus der Ferne bewundert. Sie ist eine beeindruckende Persönlichkeit und jeder kennt sie." Er sei den Briten sehr dankbar. Sie hätten ein modernes Bildungssystem nach Indien gebracht.


Entschuldigung gefordert

Das findet auch Moon Sherma. Ein paar Meter weiter macht sie Mittagspause. Die 21-Jährige arbeitet in einer Bank gegenüber vom britischen Kulturzentrum. Die Nachricht vom Tod der Queen sei sehr traurig, aber richtig viel habe sie auf ihrem Instagram-Account dazu nicht gesehen, erzählt die Inderin. "Die Leute haben ihre eigene Meinung, aber aus meiner Sicht haben uns die Engländer viele Sachen beigebracht - zum Beispiel Englisch. Sie haben viele Dinge gebaut, hier in Delhi gibt es viele schöne Gebäude."


Am Straßenrand wartet Darshan Singh in seiner Auto-Rikscha auf Kundschaft. Der 77-Jährige hat einen langen grauen Bart und auf dem Kopf einen roten Turban. Unter dem Lenkrad holt er eine Tageszeitung hervor und zeigt auf ein Bild von Königin Elizabeth II. Natürlich sei er traurig über die Nachricht, aber schließlich sei sie sehr alt geworden. Zur Zeit der indischen Unabhängigkeit war er ein kleines Kind. Er beklagt:

Aber ich habe definitiv gehört, dass sie viele Gräueltaten an uns begangen haben. Sie sollten sich entschuldigen, das ist ihre Entscheidung. Oder die von Premierminister Modi. Aber sie werden sich nicht entschuldigen, sie haben sich all die Jahre nie entschuldigt, verstehen Sie?


Queen deutete schwierige Phasen während Kolonialzeit an

Indien war bereits im Jahr 1950 zur Republik geworden. Anders als der ehemalige westliche Teil von Britisch-Indien, Pakistan. Dort war Elizabeth II. noch bis 1956 Königin. Während ihrer langen Regentschaft besuchte die Königin Indien insgesamt drei Mal.

1961 drängten sich Tausende in Neu-Delhi zusammen, um einen Blick auf Elizabeth und ihren Ehemann Prinz Philip zu bekommen. Zuletzt reiste sie zum 50. Jahrestag der Unabhängigkeit 1997 nach Indien. Zum ersten Mal deutete sie auch schwierige Phasen während der britischen Kolonialzeit an.


Für die Historikerin Jyoti Atwal von der Jawaharlal Nehru Universität in Neu-Delhi steht Elizabeth II. in Indien für das Ende der Kolonialzeit vom ersten Premierminister Indiens, Jawaharlal Nehru, bis zum aktuellen Amtsinhaber Narendra Modi. Nehru habe seine Hoffnung für Indiens Wirtschaft vor allem auf den Staatenverbund des britischen Commonwealth gesetzt - dazu habe auch die Queen beigetragen. "Die Länder tauschten sich über verschiedene Themen von zeitgenössischer Bedeutung aus wie: Gleichstellung der Geschlechter, Genderfragen, Nachhaltigkeit, Armut - allerdings nicht unmittelbar nach dem Ende der Kolonialzeit", sagt Atwal.


Diskussion um Diamant "Kohinoor"

Nach Bekanntgabe des Todes der Queen debattierten indische Twitter-Nutzerinnen und -Nutzer vor allem eines: Die Rückgabe des sagenumwobenen Diamanten "Kohinoor". Nach der Eroberung von der Region Punjab war der Stein nach England gelangt und in einer Krone für die Mutter der Queen verarbeitet worden. "Seit 1947 erhebt Indien Anspruch auf die Rückgabe des 'Kohinoor'. Man ging davon aus, dass er gestohlen worden war. Er wurde bisher nicht zurückgegeben. Nach der Krönung der Königin forderte ihn Indien zurück", so Atwal. Auch eine Petition von indischen Abgeordneten vor mehr als 20 Jahren führte zu keinem Ergebnis.


IT-Manager Abidi findet ebenfalls, dass das britische Königshaus den Diamanten zurückgeben muss: Aus moralischen Gründen müssen sie es zurückgeben, weil es nicht ihr Eigentum ist. Ich denke nicht, dass sie sich entschuldigen müssen. Sie sollen ihn einfach zurückgeben. Nach Einschätzung von Historikerin Atwal sieht Indien dem neuen König Charles III. optimistisch entgegen. Schließlich kenne man ihn schon von seiner Wohltätigkeitsarbeit in der Britisch-Indischen Stiftung, so die Historikerin. Gerade in der Corona-Pandemie habe Charles III. etwa mehr als vier Millionen Euro für Indien gesammelt. "Wir sehen den neuen König vor allem in dieser wohltätigen Beziehung zu Indien."

Am Sonntag hat die indische Regierung einen Tag Staatstrauer angeordnet. Auf allen offiziellen Gebäuden sollen die Flaggen auf Halbmast wehen - in Gedenken an Königin Elizabeth II.

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