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Feature

Ein halbes Jahr nach G20 - eine Zwischenbilanz

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Ein Wochenende im Juli, eine Stadt im Ausnahmestadium. Die 20
wichtigsten Politiker der Welt treffen sich in Hamburg, doch auch sechs
Monate danach interessiert sich im Norden kaum jemand für ihre
Entscheidungen, sondern für das, was auf Hamburgs Straßen passierte.
Warum eskalierte dieser Gipfel? Was bedeutet das für zukünftige
Demonstrationen? Die Suche nach Antworten geht weiter. Die Anwohner und
friedlichen Demonstranten suchen. Die Gerichte suchen. Ebenso Polizei
und Politik.

***
Sie wollen anpacken, sich ihre Stadt zurückholen nach diesem Ausnahmezustand von G20. Am Sonntag nach dem Gipfel, bei strahlendem Sonnenschein, kommen hunderte Hamburger ins Schanzenviertel. Sie fegen Scherben von der Straße, räumen verkohlte Barrikaden weg, putzen Schmierereien von Wänden. In den Sozialen Medien hat die Aktion ein eigenes Schlagwort: #Hamburg räumt auf.
Doch im Kopf bleiben sie: die Bilder von brennenden Barrikaden und vermummten Steinewerfern - genauso wie das laute Dröhnen der Hubschrauber und die Hundertschaften der Polizei in den Straßen.

Umfrage:
"Ich hab nen Pflasterstein durchs Fenster bekommen. Die haben nen Pflasterstein zu uns rausgeschmissen weil wir fotografiert haben.// Frau: Immer diese Präsenz der Polizei, diese Hubschrauber. Das zu ertragen. Ist ziemliche Belastung. Ich fände es gut, wenn von der Politik ein Forum ist, wo so was angesprochen werden kann."

Es riecht verbrannt. Die komplett zerstörte Sparkasse am Schulterblatt ist vernagelt, genauso wie ein geplünderter Drogerie- und ein Supermarkt. Vor allem die Schanzen-Bewohner fühlen sich nach der Krawallnacht von der Polizei im Stich gelassen. Ein Mob von Randalierern wütete stundenlang in ihrem Viertel. Erst gegen Mitternacht rücken Spezial-Einsatzkräfte der Polizei vor.

Sokrates Apostolidis hat den Helfern der Aufräum-Aktion Putzmittel und Besen ausgeliehen.

"Das war Medizin auf der Seele, dass ich gesehen habe, wir sind doch nicht allein."

Seit 40 Jahren ist der Grieche Wirt am Schulterblatt. Der 70-Jährige sitzt vor seiner Taverne. Einen Meter vor ihm ragt der Stumpf eines Straßenschilds aus dem Bürgersteig. Die Krawallnacht steckt ihm immer noch in den Knochen.

"…das ist was mich verletzt hat, dass ich das erste Mal Angst hatte um mein Leben. Und nicht nur um mein Leben, sondern das Leben meiner Familie."

Beim Erzählen kommen ihm die Tränen. Drinnen in der Taverne hatte er sich mit wenigen Gästen, seinem Personal und seiner Frau im Dunkeln verschanzt. Draußen zerstörten vermummte Autonome mit Straßenschildern die Scheiben eines Supermarkts und legten Feuer. (...)

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NDR INFO DAS FORUM vom 4.1.2018

Ein halbes Jahr nach G20 – Eine Zwischenbilanz

Feature von Charlotte Horn und Elisabeth Weydt