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Seniorenwohnanlage auf dem Kiez - Einmal St. Pauli, immer St. Pauli!

Peter hat es sich mit allerlei Nippes in seiner Wohnung behaglich gemacht. Bart trägt er immer noch

Hamburg - Die meisten Menschen steuern den Kiez zum Trinken und Tanzen an, und taumeln frühmorgens heimwärts. Doch manche bleiben für immer. Am Rande des Rotlichts, zwischen Reeperbahn und Landungsbrücken, liegt der Altenteil von St. Pauli. Die Saga vermietet am Zirkusweg rund 200 Wohnungen an Senioren. Viele der Bewohner haben ihr Leben auf dem Kiez verbracht. Sie sind Ex-Wirte oder einfach dort geboren, wo andere feiern. So eng verwachsen mit dem Amüsier-Quartier, dass sie nie wieder weg wollen. BILD hat drei von ihnen besucht.

Peter - Der Kneipier

Peter Rieke (83): Ihm gehörte das Hotel „Columbus" an der Detlev-Bremer-Straße. Mit 61 Jahren starb seine Frau, der Pachtvertrag lief aus. Über Bekannte erfuhr er von der Wohnanlage. Da wollte er hin. Nun lebt er auf 47 Quadratmetern. Mitgenommen hat er nur er das Schnapsregal, die Vitrine mit Gläsern aus seiner Kneipe „Domizil" und das Aktgemälde im Schlafzimmer: „Ein echter Rubens. Hab ich von einer Kapitänswitwe." Er hört schwer, kann kaum noch laufen: „Der Rücken ist im Arsch. Verschleiß." Aber er jammert nicht. Erzählt lieber die schönen Geschichten von früher.

Lotti - Die Kellnerin

Lotti Strehlow (88): Fast jeder auf St. Pauli kennt Lotti. Die stolze Dame, die jeden duzt. Bis heute arbeitet sie als Stadtteil-Führerin. „Aber ich erzähle den Leuten keine schmutzigen Sachen, nur damit sie lachen." Ihre Eltern führten eine Kneipe, sie jobbte im „Indra", wo später die Beatles ihre ersten Hamburg-Auftritte hatten. 1953 verließ Lotti Hamburg - „aber ich hatte immer Sehnsucht nach St. Pauli." Ihr Mann starb, ihre Mutter erblindete, und sie kehrte zurück. Als Mama mit 93 Jahren starb, übernahm Lotti deren 1,5-Zimmer-Wohnung am Zirkusweg.

Erika die Tresen-Frau Erika Allnoch (78): Das Mädchen aus einem Dorf in NRW kam Anfang der 60er-Jahre nach St. Pauli: „Erst war's für mich nicht so schön."

Doch sie gewöhnte sich. Führte 18 Jahre lang die 24-Stunden-Kneipe „Gaststätte Voss" an der Budapester. „War ähnlich wie der Elbschlosskeller. Zu uns kam jeder vom Rechtsanwalt bis zum Schwerverbrecher." Später arbeitete sie in der „Großen Freiheit Nr. 7", mit 69 Jahren musste sie aufhören: „Ich konnte nicht mehr." Über St. Pauli sagt Erika: „Wenn ich Freunde brauche, sind alle da."

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