Auf dem Parkfriedhof in Essen ist die Frau nur eine Nummer: 110, dritte Reihe, zweites Grab von rechts. Darüber wuchert Gras. Der Strauß mit Heidekraut, den jemand irgendwann einmal dort abgestellt hat, ist längst schon eingegangen. Seine verdorrten Blüten hängen über dem Rand des Topfs.
Nur selten kommt jemand zum Gebet, die Stelle wird nur notdürftig umsorgt. Nichts erinnert an die Frau, an ihre Herzlichkeit, an ihren Namen. Es ist kein Grabstein da, der ihn verrät. Selbst die Angehörigen müssen suchen, um sie zu finden: Hildegard Schwarz, Katholikin, gestorben im Jahr 2011 an Herzversagen kurz vor ihrem 90. Geburtstag.
Eigentlich sollte die Frau gar nicht dort liegen, auf einem Platz neben all den Fremden. Sie sollte bei ihrem verstorbenen Ehemann sein - in einem Doppelgrab auf dem jüdischen Teil des Friedhofs, gravierte Granitplatte, bedeckt von weißen Steinen. Ein halbes Leben haben Josef und Hildegard Schwarz miteinander verbracht. Im Tod aber trennen die beiden 1300 Meter.
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