Johanna von Lenthe versucht in Priština junge Kosovo-Albaner und Serben mit Theaterarbeit zusammenzubringen. Bisher konnte sie noch keine Serben dafür begeistern, doch sie gibt ihr Ziel nicht auf.
München/Priština - 15 Jahre ist der Kosovokrieg her. Noch immer sind 4900 Soldaten der Nato in dem jungen Staat stationiert, um Frieden zwischen Kosovo-Albanern und Serben zu sichern. Johanna von Lenthe aus München, 19, lebt seit September in der kosovarischen Hauptstadt Priština. In einem freiwilligen kulturellen Jahr versucht sie, jugendliche Kosovo-Albaner und Serben mit Theaterarbeit zusammenzubringen.
SZ: Wie lebt es sich im Kosovo? Johanna von Lenthe: Schön und abenteuerlich zugleich. Ich hatte zuvor wenig Ahnung von dem Land. Als ich mit dem Flugzeug ankam, stand ich auf einem Platz und hatte die Stadt vor mir. Überall stieg Rauch auf, weil Abfall verbrannt wurde. In meiner ersten Wohnung gab es Kakerlaken. Aber ich liebe die Atmosphäre der Stadt. Wie läuft deine Theater-Arbeit? Eine meiner Aufgaben ist es, eine Theatergruppe für Jugendliche zwischen 15 und 17 im Zentrum Quendra Multimedia zu leiten. Ich will es schaffen, ein Stück gemeinsam mit Kosovo-Albanern und Serben zu entwickeln und aufzuführen. Es ist schwieriger, als ich mir das vorgestellt habe. Bisher konnte ich keine Serben dafür begeistern.
Wie bist du an die Jugendlichen herangetreten? Ich habe an Schulen Aushänge aufgehängt und über Facebook verschiedene Schülergruppen angeschrieben. Doch für Serben und Albaner ist es nicht besonders attraktiv zusammenzuarbeiten. Zudem gibt wenige Serben in Priština - und von außerhalb möchte auch niemand kommen.
Warum ist die Skepsis 15 Jahre nach Kriegsende noch so groß? Viele Serben haben Angst davor, sich unter Kosovo-Albaner zu begeben. Sie schotten sich ab. Genauso die Kosovo-Albaner. Auf meiner Tasche steht „Ich liebe dich" auf albanisch und auf serbisch. Einige haben mir gesagt, ich solle die Tasche lieber anders herum tragen. Aber: Ich lerne immer mehr Leute kennen, die einer Begegnung offen gegenüber stehen.
Wie machst du nun weiter? Es hat sich ein Kern-Team aus vier Leuten gefunden. Wir proben jetzt viel mit Impro-Theatertechniken und wollen auch etwas aufführen. Dieses Team ist engagiert und kommt regelmäßig zu den Proben.
Was motiviert sie? Sie sind gar nicht so interessiert daran, etwas Tiefsinniges zu spielen. Es geht ihnen um den Spaß. Einige wollen Schauspieler werden. Viele haben mir gesagt, dass sie schon lange nach so etwas suchen.
Auf welcher Sprache probt ihr? Gesprochen wird in der Regel auf Englisch und gespielt auf Albanisch. Ich habe auch schon Albanisch-Unterricht genommen. Welches Stück wollt ihr aufführen? Das ist noch nicht ganz klar. Es soll etwas Eigenes sein, eine veränderte Vorlage. Es scheint mir, als wäre die Gruppe ganz angetan von Shakespeare. Aber wir sammeln noch Ideen.
Was machst du, wenn du nicht gerade eine Theatergruppe leitest? Mindestens dreimal täglich gehe ich Kaffee trinken, weil der hier ganz besonders gut schmeckt. Ansonsten reise ich viel oder schaue mir die Stadt an. Es gibt in Priština nicht unbedingt typische Sehenswürdigkeiten, aber viele offene Menschen. Ich kann jedem empfehlen, sich Kosovo und den ganzen Balkan anzuschauen. Doch das wollen viele meiner Freunde im ersten Moment nicht glauben.
Wie überzeugst du sie? Ich erzähle von den interessanten Leuten und meinem spannenden Leben. Viele, die einmal hierher kommen, bleiben hängen. Zum Beispiel ein Journalist aus England. Er war eigentlich nur zu Besuch. Nun arbeitet er für ein kosovarisches Magazin.
Wie kamst du darauf, für ein freiwilliges kulturelles Jahr in den Kosovo zu gehen? Ich wollte Theaterarbeit machen. Das Quendra Multimedia in Priština war die einzige Organisation, die so etwas anbot.
Wann ist die Aufführung? Im August. Hoffentlich schaffe ich es bis dahin, auch noch Serben mit ins Team zu holen. Ich habe das Ziel noch nicht aufgegeben.
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