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Das sind die großen Plastikmüllverursacher

(Foto: imago stock&people)

Plastiktüten, Shampooflaschen und Trinkhalme - Millionen Tonnen Einwegprodukte aus Plastik werden weltweit jedes Jahr weggeworfen und landen als Müll in unserer Umwelt. Daran sind nur wenige große Unternehmen schuld, wie eine neue Studie zeigt.

Gerade jetzt in der Corona-Krise, wo alles besonders hygienisch sein soll, boomen Einwegprodukte aus Plastik. Die FFP2-Maske oder die Styroporbox vom Lieferdienst werden nur einmal benutzt und fliegen dann in den Müll. Einwegkunststoffe machen den Großteil der Kunststoffe aus, die jedes Jahr weggeworfen werden. 2019 waren das mehr als 130 Millionen Tonnen. Der Großteil des Einwegplastiks wird verbrannt, auf Deponien gekippt oder in die Umwelt entsorgt.

Die Reise der Plastikprodukte hat die Minderoo Foundation, eine australische Stiftung, verfolgt - von ihrer Herstellung bis zur Entsorgung. In ihrer Studie "The Plastic Waste Makers Index" haben die beteiligten Organisationen und Forschungsinstitute herausgefunden, dass nur 20 Unternehmen 55 Prozent des globalen Einwegplastikmülls verursachen. Das tun sie indirekt, indem sie aus Erdöl Polymere herstellen, den Grundbaustein von Kunststoffen.

So wenige Unternehmen sind es deshalb, weil die Erdölindustrie und die Kunststoffhersteller "sehr große Investments, große Infrastrukturen und auch einen sehr großen Forschungsaufwand betreiben müssen, um ein solches Unternehmen zu halten", sagt Ingemar Bühler, der Hauptgeschäftsführer von Plastics Europe, dem Verband der Kunststofferzeuger, im Podcast "Wieder was gelernt". "Das sind riesige Investments und es ist kein Zufall, dass in solchen Industrien erstens sehr wenige Unternehmen sind und sie sehr oft auch in staatlicher Hand oder mit staatlicher Beteiligung geführt werden."

Die Liste der 20 großen Polymerhersteller liest sich wie ein Who's who der weltweit größten Mineralöl-, Gas- und Chemiekonzerne. Auf Platz eins und zwei stehen die beiden US-amerikanischen Unternehmen ExxonMobil und Dow Chemical. Auf Platz drei folgt das chinesische Mineralölunternehmen Sinopec. Allein diese drei Konzerne produzieren zusammen 16 Prozent des weltweiten Einweg-Plastikmülls. Außerdem auf der Liste stehen Saudi Aramco in Saudi-Arabien, das chinesische Öl- und Gasunternehmen Petro China und Total aus Frankreich. Sie sind die "Quelle" der Einwegplastik-Krise, weil sie die Basis aller Kunststoffprodukte herstellen.

Australier und US-Amerikaner größte Plastiksünder

Beim Thema Plastikmüll standen sie bisher aber kaum im Rampenlicht, schreiben die Autoren der Studie. Stattdessen wurden meist die Hersteller der Plastikprodukte kritisiert - oder auch die Verbraucher. Schließlich entscheiden die, ob sie Einwegflaschen und Plastikbesteck kaufen. Genau hinschauen sollte man schon, sagt Manfred Santen, Chemiker bei Greenpeace. Schließlich wisse jeder, dass man Sandwiches statt in Plastikfolie auch in Metallboxen aufbewahren kann. "Aber die Hauptverantwortung liegt bei denen, die diese Materialien auf den Markt bringen."

Die Forscher haben sich nicht nur die Hersteller genau angeschaut, sondern auch, welche Länder am meisten Plastikmüll produzieren. Ganz vorn liegt Australien mit 59 Kilogramm pro Kopf, die USA folgen mit 53. Die Deutschen haben dagegen nur 22 Kilo Plastikmüll produziert. Weniger, aber immer noch viel: In Indien waren es nur 4 Kilogramm pro Person. Dabei ist China mit mehr als 25 Millionen Tonnen Einwegplastikabfall der größte Plastikproduzent überhaupt, gefolgt von den USA mit knapp 20 Millionen Tonnen.

Und das sind nur die Zahlen aus dem Jahr 2019, eine Momentaufnahme. Der Plastikverbrauch steige jedes Jahr, sagt Manfred Santen. "Die großen Chemiefirmen müssen natürlich sehen, womit sie ihre Profite generieren können. Und wenn weniger Benzin verbrannt wird, weil weniger Individualverkehr gängig ist, ist Plastik eine Ausweichmöglichkeit des Geschäfts."

Einmalplastik billig herzustellen

Für die Kunststofferzeuger ist Plastik der Rohstoff der Zukunft, eine umweltschonende Alternative zu anderen Materialien, unter anderem, weil es so leicht ist. Deshalb steigt die Nachfrage. Aber Plastik ist in der Herstellung klimaschädigend. Wenn die fossilen Rohstoffe gefördert und verarbeitet werden, setzt das Treibhausgase wie Kohlendioxid und Methan frei. Dazu kommen die Emissionen, wenn Kunststoffabfälle verbrannt oder entsorgt werden und wenn sie sich zersetzen. Das heizt die Klimakrise weiter an. Bis zum Jahr 2050 könnte die Plastikproduktion etwa fünf bis zehn Prozent der globalen Treibhausgas-Emissionen ausmachen.

Ist recyceltes Plastik die Lösung? Wenn im Laden Getränke- oder Waschmittelflaschen aus recyceltem Plastik stehen, sieht das so aus, als würde etwas passieren. Immerhin liegt Nachhaltigkeit im Trend. Doch tatsächlich wurden 2019 laut der Studie nur zwei Prozent der Einmalplastikprodukte aus recycelten Polymeren hergestellt. Das liege daran, dass sie aufgrund der Energiepreise in der Herstellung sehr günstig sind, sagt Ingemar Bühler, günstiger, als recycelten Kunststoff zu verwenden. "Und jede Veränderung führt erst einmal zu einer Preissteigerung. Da reagieren Unternehmen wie auch Konsumenten relativ vorsichtig."

Dazu komme noch, dass Einmalprodukte wie Becher oder Trinkhalme ganz einfache Kunststoffe sind. Für die Industrie lohne sich nicht, diese zurückzuholen und zu recyceln, da sie mit ihnen nicht viel Geld verdienen könne. Eine weitere Schwierigkeit ist, dass viele Dinge heute aus vielen verschiedenen Stoffen bestehen. Ein Getränkekarton beispielsweise hat Schichten aus Papier, Plastik und Aluminiumfolie, doch nur der Papieranteil kann wiederverwertet werden. Das mechanische Recycling funktioniere nur bei sortenreinen Produkten, sagt Ingemar Bühler, die könne man einfach kleinhäckseln. "Das Glas von der Smartwatch ist zum Beispiel ein Verbundkunststoff. Den kann ich nicht einfach mechanisch verarbeiten, den muss ich chemisch verarbeiten, den muss ich aufsplitten in die Polymerketten, in die Ursprungsbestandteile, um ihn wieder herzustellen."

"Hört auf, Erdöl in Plastik umzuwandeln"

Recycling ist möglich, es kostet aber mehr Geld, als neuen Kuntsstoff herzustellen. Eine Firma, die es vormacht, ist Apple. Der Konzern will seine Produkte künftig in einem geschlossenen Kreislauf produzieren. Kunden können beispielsweise ihre alten iPhones abgeben. Spezielle Roboter namens Daisy und Dave bauen die Mobiltelefone auseinander, um Rohstoffe wie seltene Erden zurückzugewinnen.

Die Autoren der Studie kritisieren, dass die Politik der Kunststoffindustrie jahrzehntelang nicht auf die Finger geschaut hat - obwohl sie selbst einige der Unternehmen besitzt oder an ihnen beteiligt ist. Nun kennen alle die Namen der Verursacher. Diese Firmen hätten die Macht, das Verhältnis umzudrehen, sagt Manfred Santen. Er appelliert an die Unternehmen: "Hört auf, Erdöl in Plastik umzuwandeln, sondern schaut erst einmal, was überhaupt da ist im wirtschaftlichen Kreislauf."

Greenpeace fordert, dass mindestens 30 Prozent der Plastikprodukte aus dem Recycling stammen müssen. Eigentlich gibt es eine solche Quote in Deutschland schon, vorgeschrieben sind 36 Prozent, ab 2022 sogar 90. Allerdings schreibt diese nur vor, wie viel Material in das Recycling-System kommen muss, nicht, wie viel dabei tatsächlich recycelt wird. Auch in der EU sollen ab 2025 die Hälfte aller Kunststoffverpackungen recycelt werden. Damit der Recyclinganteil steigt, schlägt Ingemar Bühler Subventionen in Form von steuerlichen Anreizen für die Forschung der Firmen vor.

In den nächsten fünf Jahren könnte die weltweite Produktion von Einwegkunststoffen noch einmal um über 30 Prozent steigen. Das liegt daran, dass Entwicklungsländer immer stärker in der Branche mitspielen. Sie sind es aber auch, die unter dem Müll leiden, denn dort landet der meiste Einweg-Plastikabfall. Ein Schritt in die richtige Richtung könnte sein, dass in der EU seit Anfang des Jahres neue Regeln für den Export von Kunststoffabfällen gelten. Es darf nur noch sauberer Müll zum Recycling exportiert werden. Dafür, was übrig bleibt, muss dann eine Lösung her. Eine Möglichkeit ist Recycling im eigenen Land. Oder einfach, weniger Plastik herzustellen.

Quelle: ntv.de

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