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Das bittere Geschäft mit dem Kakao

Bei den Menschen in Amankwazia ist der Klimawandel längst angekommen. 400 Einwohner hat das kleine Dorf im Südwesten Ghanas, zwei Drittel von ihnen leben vom Kakaoanbau. Leicht war das Geschäft noch nie: Die Arbeit ist körperlich anstrengend, die Erträge mickrig. Doch in den vergangenen Jahren ist es noch schwieriger geworden. "Wir haben nicht genug geerntet, es hat zu wenig geregnet", sagt der Dorfvorsteher.


Die Menschen von Amankwazia erleben, wie sich das Klima verändert und ihre Existenz bedroht. Das Dorf ist umgeben von Kakaobäumen, von Montag bis Samstag gehen die Männer auf die Plantagen, sonntags in die Kirche. "Wir haben große Sorge, dass es noch trockener wird", sagt der Dorfvorsteher. "Wir wissen nicht, wie es weiter geht."

Er sitzt auf einer Bank unter einem großen Baum, seine Frau und einige andere Kakaobauern umringen ihn und nicken zustimmend. Sinken die Erträge weiter, können sie ihre Familien nicht mehr ernähren. "Wir haben doch nichts anderes", sagt einer.

Kakao ist für Ghanas Wirtschaft von besonderer Bedeutung. Mehr als ein Drittel des Bruttoinlandsprodukts wird mit Erlösen aus dem Verkauf der Frucht erwirtschaftet, Hunderttausende Menschen arbeiten auf den Plantagen - meist unter schlechten Bedingungen: Es mangelt an Technologie, fairen Löhnen und Geld für Investitionen.


In ihrer Not greifen viele Farmer zu Pestiziden

Derzeit verdienen Kakaobauern 50 Cent pro Tag. "Um aus der absoluten Armut zu kommen, müssten sie pro Kopf etwa vier Mal so viel verdienen", sagt Evelyn Bahn von der europäischen Initiative "Make Chocolate Fair". Eine Steigerung der Ernteeinträge allein reicht dafür nicht aus. Wichtig sei eine Anhebung des Kakaopreises.


Gleich mehrere Faktoren belasten die Ernte. Umweltschädigende Produktionsmethoden wie die Rodung von Wäldern haben ihre Spuren hinterlassen. Hinzu kommt, dass die Plantagenbäume alt und krank sind und deshalb nur wenige Früchte tragen.


Zunehmend sind es jedoch die Folgen des Klimawandels, die die Existenz der Bauern bedrohen. "In den vergangenen Jahren haben wir Veränderungen bei den Regenfällen und der Temperatur festgestellt", sagt Seth Agyemang, Wissenschaftler an der KNUST Universität in Kumasi. "Es regnet unregelmäßig, manchmal viel zu viel, manchmal viel zu wenig. Dazu kommt, dass die Temperaturen steigen."


Kakaobäume aber sind sehr sensibel. Die veränderten Niederschläge machen es den Farmern noch schwerer, zu planen. Regnet es zu wenig, wachsen auch nur wenige Früchte, regnet es zu viel, gibt es Probleme mit Krankheitsbefall. "Alles, was die Farmer tun können ist abwarten, wie ihre Pflanzen nun wachsen", sagt Agyemang. In ihrer Not greifen viele zu Chemikalien wie Pestiziden und Düngemitteln.


Die Auswirkungen der Klimaveränderung wurden in der vergangenen Saison offensichtlich, als heftige Regenfälle die Blüte der Pflanzen verzögerten oder diese gleich ganz zerstörten. Die Produktion brach drastisch ein. Eine Million Tonnen hatte das nationale Ghana Cocoa Board für 2014/2015 eigentlich avisiert. Mittlerweile geht die Regierung nur noch von 700.000 Tonnen aus - 30 Prozent weniger.


"Wenn sich nichts ändert, wird es kein Happy End geben"

Wissenschaftler befürchten, dass die Kakaoplantagen den Klimawandel nicht überstehen werden. "Wenn niemand eingreift, wird der Zeitpunkt kommen, an dem Kakao in Ghana nicht mehr angebaut werden kann", sagt Wissenschaftler Agyemang. Bereits vor vier Jahren schlug die Uno Alarm: Die Farmer müssten lernen, ihre Plantagen nachhaltiger zu bewirtschaften - sonst sei ihre Zukunft in Gefahr.


Landesweit gibt es mittlerweile zahlreiche Nachhaltigkeitsinitiativen. Sie sollen den Farmern helfen, die Umgebung der Plantagen wieder aufzuforsten, die Böden fruchtbarer zu machen und den Anbau zu diversifizieren.


Eine der größten Hoffnungen ist die Pflanzenforschung. Am Cocoa Research Institute arbeiten Forscher an der Entwicklung von Bäumen, die resistent gegenüber Schädlingen, Krankheiten und den Folgen des Klimawandels sind. Diese könnten die alten und kranken Bäume ersetzen und so die Zukunft der Farmer sichern.


Im August kündigte das Cocoa Board an, mehr als 50 Millionen dieser Hybrid-Setzlinge kostenlos an Farmer zu verteilen. "Allerdings muss man beachten, dass viele Bauern und Bäuerinnen sich die Verjüngung ihrer Plantagen schlicht nicht leisten könnten", sagt Friedel Hütz-Adams vom "Südwind Institut für Ökonomie und Ökumene" und einer der Verfasser des Kakao-Barometers 2015.


Wer eine Plantage mit 3300 Bäumen habe und davon jedes Jahr 300 ersetzen wolle, müsse hohe Kosten tragen. Die alten Bäume müssen gefällt, die Setzlinge aufwendig gepflegt werden. Bis zur ersten Kakaoernte vergehen Jahre.


Doch die Alternativen der Farmer sind begrenzt. Viele bauen nebenbei noch Kochbananen, Cassava und Mais an - vor allem jedoch, um sich wenigstens selbst ernähren zu können. Initiativen zeigen den Bauernfamilien andere Einkommensmöglichkeiten auf. So unterstützt die Kleinbauern-Kooperative Kuapa Kokoo zum Beispiel die Frauen in Amankwazia bei der Herstellung von Seife.


In dem kleinen Dorf im Südwesten hat sich in den vergangenen Jahren ohnehin einiges verbessert. Die Kooperative brachte dem Ort eine Schule sowie einen Brunnen und den Farmern einen Cash-Bonus. Hinzu kommen Fairtrade-Prämien für Soziales, Infrastruktur und Bildung.


Das sei ein Anfang, reiche aber noch längst nicht aus, sagt Wissenschaftler Agyemang. "Wenn sich nichts ändert, wird es kein Happy End geben - für niemanden, weil es uns alle betrifft."


SPIEGEL ONLINE 2015

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