Der starke Verlust des Yuan deutete darauf hin, dass China einen Währungskrieg mit dem Westen provoziert. Doch tatsächlich spiegelt der niedrige Kurs die Schwäche der chinesischen Wirtschaft.
Dass es um die chinesische Wirtschaft nicht mehr so phänomenal gut bestellt ist wie über weite Strecken der vergangenen drei Jahrzehnte - längst klar. Doch was sich seit Dienstag abspielt, versetzt viele Ökonomen in Sorge: An diesem Tag wertete die chinesische Zentralbank die eigene Währung, den Yuan, um fast zwei Prozent ab und bezeichnete den Schritt als einmalige Maßnahme. Dennoch sackte der Yuan am Mittwoch noch einmal stark ab. Binnen zwei Tagen verlor er so 3,47 Prozent an Wert - so viel wie seit mehr als 20 Jahren nicht mehr.
Auf den ersten Blick scheint die Sache klar: China wertet seine Währung künstlich ab, um seiner Wirtschaft wieder auf die Beine zu helfen. Denn selbst die offiziellen Konjunkturdaten fallen desaströs aus: Im Juli brachen die Exporte im Vergleich zum Vorjahr demnach um 8,9 Prozent ein. Industrieproduktion, Investitionen, Autoverkäufe - allesamt unerwartet schwach.
In solch einer Lage kann es helfen, die eigene Währung abzuwerten, so die eigenen Exportprodukte billiger zu machen und damit die Nachfrage und das Wachstum anzukurbeln.
Im Kampf gegen die Misere nimmt China nach dieser Lesart in Kauf, einen Währungskrieg anzuzetteln. Also einen ebenso teuren wie verhängnisvollen Wettlauf der Zentralbanken der Welt um einen möglichst niedrigen Wechselkurs ihrer Währung.
China lässt mehr den Markt den Kurs bestimmen
Weil Chinas Modell ohnehin ein Zwitter aus staatlich gelenkter Plan- und Marktwirtschaft ist, liegt dieser Verdacht besonders nahe. Doch es gibt gute Argumente dafür, dass er falsch ist.
Denn in der Aufregung um die Verluste des Yuan erhielt eine Ankündigung der chinesischen Zentralbank von Dienstag wenig Beachtung, die eine Zäsur darstellt: Bislang setzte sie jeden Tag zu Handelsbeginn einen Referenzkurs für den Yuan fest. Um diesen Fixpunkt darf der Yuan maximal zwei Prozent schwanken. Bei diesen Grenzen bleibt es auch künftig - doch nun legt die Zentralbank den Referenzkurs nicht mehr nach Gutdünken fest. Stattdessen orientiert sie sich am Schlussstand des Vortages. So wird der Wechselkurs stärker durch Marktkräfte gebildet.
Exakt das war bislang nicht der Fall. "Seit April dieses Jahres hatte die Zentralbank den Referenzkurs des Yuan zum Dollar an jedem Handelstag wieder aufKurse um 6,2090 gesetzt - und völlig ignoriert, was am Vortag im Handel eigentlich passiert war", erklärt Sonja Marten, leitende Währungsanalystin bei der DZ Bank. Also wie in dem Film "Und täglich grüßt das Murmeltier".
Kursverluste wurden begrenzt
Am Mittwoch setzte die chinesische Zentralbank den Referenzkurs tatsächlich zum ersten Mal ziemlich genau auf den Schlusskurs des Vortags. "Von einer erneuten aktiven Abwertung des Yuan durch die chinesische Zentralbank kann keine Rede sein. Vielmehr hat sie schlicht ihre Ankündigung vom Dienstag umgesetzt", sagt Marten.
Devisenhändlern zufolge griff die Zentralbank gegen Ende des Handelstages sogar ein, um die Kursverluste in Grenzen zu halten - schließlich soll der Yuan maximal zwei Prozent am Tag verlieren oder gewinnen können. Staatseigene chinesische Banken haben demnach auf Geheiß der Zentralbank Dollar verkauft, sonst wäre der Yuan noch weiter gefallen.
So verfahren im Prinzip auch die Europäische Zentralbank oder die US-Notenbank Fed, wenn sie Einfluss auf Kurse nehmen wollen - mit dem einzigen Unterschied, dass sie selbst Devisen verkaufen oder kaufen, anstatt diesen Auftrag an Geschäftsbanken weiterzugeben.
Abwertung hat auch Nachteile
DZ-Bank-Expertin Marten resümiert: "Der kräftige Kursverlust am Mittwoch ist also in Wirklichkeit ein Zeichen dafür, dass die chinesische Zentralbank die eigene Währung in den vergangenen Monaten künstlich hoch gehalten hatte - und eben nicht dafür, dass sie den Yuan nun künstlich abwertet."
Warum aber hielt China den Kurs seiner Währung so lange künstlich hoch? Und warum hört es jetzt damit auf?
Die wahrscheinlichste Antwort: Ein niedriger Wechselkurs hat auch Nachteile. So werden etwa Waren aus dem Ausland in China teurer - was die Binnennachfrage schwächen kann. Denn wer mehr Geld etwa für einen importierten BMW ausgibt, hat weniger für Waren aus dem Inland übrig. Zudem wird es für chinesische Unternehmen teurer, Firmen im Ausland zu übernehmen oder sich an ihnen zu beteiligen - eben auf diese Strategie setzten sie aber zuletzt verstärkt. Auch Kredite aus dem Ausland sind für chinesische Firmen erschwinglicher, so lange die eigene Währung relativ stark ist.
All das macht die chinesische Wirtschaft im Prinzip unabhängiger von Währungsschwankungen und damit von Exporten.
Eben jene Strategie scheint die Regierung in Peking nun unter dem Druck der desaströsen Wirtschaftsdaten zumindest teilweise aufzugeben. Ein Währungskrieg ist das nicht.
Original