Janio de Souza Ferreira ist kein Mann lauter Töne. Unsicher fummelt er an einem Plastikteil herum, blickt auf den staubigen Boden vor ihm. Er ist 42 Jahre alt, ein schmaler Mann mit großen Händen und leicht abstehenden Ohren und er weiß nicht recht, was er über sich erzählen soll. Er ist es nicht gewohnt, dass sich jemand für ihn interessiert. Doch als er beginnt, über die Ballfabrik zu reden, bricht es aus ihm heraus: „Ohne diese Arbeit wäre mein Leben sehr, sehr schwierig geworden", sagt er und dankt Gott.
Die Geschichte von Janio de Souza Ferreira ist eng mit der Ballfabrik in Rio Branco verbunden. Er hat das Projekt in der abgelegen Stadt im Amazonas-Gebiet mit aufgebaut und bildet die neuen Mitarbeiter aus. In dem großen, stickigen Raum unter der Tribüne des Fußballstadions von Rio Branco hat der schüchterne Mann eine Perspektive gefunden. Dabei sah es bis vor acht Jahren so aus, als wäre sein weiterer Lebensweg schon festgeschrieben. Ohne Schulbildung und ohne Perspektive saß er im Gefängnis. Kein Ort, an dem in Brasilien große Träume geschmiedet werden oder gar Resozialisierung ein Thema ist. Doch de Janio de Souza Ferreira hatte „Glück", wie er heute sagt: „Ich bin so froh, dass ich hier bin und kein kriminelles Leben mehr führe."
Vom Häftling zum AusbilderZwischen den kargen, hohen, betonierten Außenwänden des Stadions und einer provisorischen Holzwand stehen alte Tische, ein paar Drehstühle und Fahrräder. Es riecht nach Klebstoff und Farbe, am Eingang häufen sich Einzelteile aus Kautschuk. Janio de Souza Ferreira gibt dem Chaos eine Struktur. Geduldig führt er durch die Werkstatt, erklärt jeden Arbeitsschritt mit sanfter Stimme. Von Unsicherheit keine Spur, er kennt jeden Handgriff, jedes Werkzeug.
20 Frauen und Männer kleben, nähen und malen an Fuß-, Hand- oder Volleybällen. Im Schatten vor dem Stadion, wo ab und an ein warmer Windzug vorbeizieht, sitzen drei von ihnen. Besucher kommen nur selten in die Fabrik, das Stadion liegt am Ende der ehemaligen Landebahn, außerhalb der Stadt. Hier leben Menschen, die sich hohen Miet- und Hauspreise der Stadt nicht leisten können, ihnen soll die Werkstatt helfen.
„Am Anfang dauert es drei Stunden bis ein Ball fertig ist, aber mit etwas Übung schafft man es in einer Stunde", sagt Janio de Souza Ferreira. 45 000 Bälle, 50000 T-Shirts und 5000 Netze wollen sie in diesem Jahr produzieren. Dafür bekommen sie einige Hundert Reais im Monat, weniger als der Mindestlohn. Doch dass die Arbeit nur wenig Geld bringt, stört ihn und seine Mitarbeiter nicht. Die Bälle und Netze werden an sozial benachteiligte Kinder verschenkt. So, wie fast alle Mitarbeiter selber mal waren. Denn wer nicht aus dem Gefängnis in das Projekt gelangt, lebt in einer Familie, die auf staatliche Zuwendungen angewiesen ist. Sie bessern die Leistungen des Regierungsprogramm „Bolsa Familia" mit ihrem Lohn aus der Fabrik aus.
In seinen großen Händen hält Janio de Souza Ferreira einen Ball, der aussieht als wäre er gerade geplatzt. Prüfend inspiziert er die Klebenähte. Es seien nicht nur die Menschen, die von Projekt profitierten, erzählt er dann. „Der ganze Ball ist aus biologisch abbaubarem Material, der Kautschuk kommt sogar hier aus der Region", sagt er stolz. Perspektiven für Arme und sportliche Förderung für Kinder und Umweltbewusstsein - „es ist ein fundamental wichtiges Projekt für Acre und Brasilien", sagt Janio de Souza Ferreira.
Ihm persönlich hat das Projekt nicht nur eine Arbeit und eine Perspektive beschert - Janio de Souza Ferreira hat auch wieder Träum - Ballträume: Einmal, sagt er, würde er ihn gerne in der Hand, den offiziellen Ball der Fußballweltmeisterschaft in seinem Heimatland. „Dann könnte ich herausfinden, welche Unterschiede es gibt und unsere Bälle verbessern."
Von Britta Kollenbroich