Die Kritiker überschlagen sich vor Lob, immer mehr Bekannte waren da und sind höchst angetan. Doch was bringt einem die Documenta in Kassel, wenn man von Kunst keine Ahnung hat? Ein Selbstversuch von Björn Erichsen
Was für ein riesiger Haufen Schrott! Zerdepperte Blechtonnen, abgetrennte Baggerarme, rostige LKW-Fahrgestelle mit abgeknickten Achsen - turmhoch stapelt sich der Müll hinter dem alten Kasseler Bahnhof. Kein Wunder, dass sie in der Stadt seit Beginn der Documenta darüber streiten: Ist das "Momentary Monument IV" der Italienerin Lara Favaretto tatsächlich Kunst - oder nicht doch eher ein Fall für die Abfallwirtschaft? Den Besuchern, die hier die kleine Kopfsteinpflasterstraße entlangkommen, scheint es zu gefallen, sie bleiben stehen, zeigen drauf, lachen, fotografieren. Nur der Wachmann mit seiner gelben Warnweste schaut grimmig drein, muss er doch alle paar Minuten Schaulustige verscheuchen, die sich zu nah an den Schrottberg wagen: Einsturzgefahr.
"Die Künstlerin greift das Leitmotiv von 'Zerstörung und Wiederaufbau' auf und verweist auf die Fragilität materieller Güter, aber auch auf deren Wiederverwertbarkeit", erklären mir Nick und Sandy ihre Begeisterung. Das Künstlerpaar ist eigens aus Neuseeland angereist. Ich bin nicht vollends überzeugt, mir fehlt da der Eigenanteil. Letztlich hat Frau Favarello ja nicht viel mehr getan, als ein paar Tonnen Eisenschrott wahllos in die Landschaft kippen zu lassen. In Künstlerkreisen heißt das übrigens, wie ich seit heute weiß: Sie hat auf Form verzichtet.
Ahnungslos trifft abgehobenEs ist Ihnen sicher nicht entgangen: Hier schreibt ein Laie in Sachen Kunst. Ich bin gewiss kein Kulturmuffel, aber der ganze Kunstbetrieb ist mir oft zu abgehoben, viel zu viel heiße Luft. Carolyn Christov-Bakargiev ist ja das beste Beispiel, die Documenta-Chefin mit dem wirren Lockenschopf: Die erklärt lang und breit und theoretisch, warum sie kein Konzept hat oder braucht - um dann so Sachen zu fordern wie "Ökofeminismus" oder Wahlrecht für Hunde.
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