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Facebook-Gruppen: Harmonischer Austausch mit Gleichgesinnten?

Mütter tauschen sich gern aus - über Erziehung, über Stillen, über den richtigen Kindersitz für das Auto. Dieser Austausch findet nicht nur in Krabbelgruppen, auf Spielplätze oder an der Kita-Tür statt, sondern auch im Internet. Vor allem Facebook-Gruppen für Eltern erleben derzeit großen Zulauf.

Eine mit 26.000 Mitgliedern sehr aktive betreibt Sabrina Heinke. „Alles fing mit meinem Blog Mamahoch2 an. Ich stellte fest, dass viele spannende Diskussionen unter meinen Artikeln im Sand verliefen. Deshalb gründete ich eine Facebook-Gruppe. Hier klappt der Austausch besser", erklärt die Bloggerin. Die vor knapp vier Jahren gegründete Gruppe ist inzwischen ein Selbstläufer. An manchen Wochenenden werden über 500 Beiträge geschrieben, fast täglich kommen neue Mitglieder hinzu. Eins verbindet sie alle: Sie sind Mütter, zwischen 20 und 50, auf der Suche nach Gleichgesinnten und Antworten.

Impfen, Schnuller, Stillen

Das Themenspektrum ist groß. Besonders hitzig und leidenschaftlich diskutiert die Gemeinschaft über Impfen, Schnuller und Stillen. Aber auch der Wiedereinstieg in den Beruf, das passende Familienauto oder Beziehungsprobleme werden besprochen. Der Ton dabei sei schon manchmal hart, aber überwiegend herzlich und respektvoll. Darauf legt Heinke großen Wert. „Gerade wenn die Mitglieder spüren, dass eine andere Mutter Unterstützung braucht, sind das Engagement und die Verbundenheit groß", erklärt sie.

Ein Klassiker: Das Lieblingskuscheltier der Tochter verschwindet auf mysteriöse Weise und ist bei jedem Spielzeughändler im Umkreis vergriffen. Meistens findet sich in der Mamagruppe schnell kuscheliger Ersatz, der schon lange in der hintersten Ecke eines Kinderzimmers schlummerte. Auch Petitionen oder Spendenaufrufe für Familien in Not werden regelmäßig geteilt.

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Neu sind solche digitalen Gemeinschaften natürlich nicht. „Schon in den Neunzigerjahren gab es Foren oder Chats, in denen sich Gleichgesinnte aus jeder erdenklichen Nische austauschen konnten. Neu ist die große Verlagerung auf die Plattform Facebook", erklärt Christopher Buschow, Juniorprofessor für Organisation und vernetzte Medien an der Bauhaus-Universität Weimar. Tatsächlich besinnt sich der US-Konzern seit einiger Zeit auf seine Wurzeln als ein Netzwerk für persönliche Beziehungen.

Eine spürbare Konsequenz: Die Facebook-Seiten von Unternehmen und Organisationen verlieren deutlich an Sichtbarkeit. Private Posts der eigenen Facebook-Freunde werden bevorzugt, genau wie die Gruppen. Ihre Inhalte landen inzwischen häufiger im Newsfeed der Nutzer und haben einen bevorzugten Platz in der Facebook-App. Mit Erfolg: 1,4 Milliarden Menschen weltweit nutzen laut Facebook regelmäßig die Gruppen. Eine genaue Zahl der Gruppen gibt es nicht. Der US-Konzern spricht von einer Zahl im zweistelligen Millionenbereich. Kaum eine Nische bleibt unbesetzt.

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Regionale Verkaufsgruppen sind genauso beliebt wie Gruppen zu Hunderassen, handwerklichen Hobbys oder Fußballvereinen. Leider nutzen auch immer wieder Rechtsextreme, Islamisten oder Reichsbürger die Facebook-Gruppen zum Austausch. Oft völlig unbehelligt von den Kontrolleuren des sozialen Netzwerks. Hinter dieser unverständlichen Zurückhaltung könnten auch wirtschaftliche Interessen stecken. Immerhin kümmert sich Facebook nicht ohne Grund um den intensiven Austausch auf seiner Plattform

„Die Menschen diskutieren angeregt in den Gruppen, verfolgen ihre Themen mit großer Leidenschaft. Das führt dazu, dass sie länger im Netzwerk verweilen und ihnen noch mehr und noch passgenauere Werbung gezeigt werden kann", erklärt Buschow. Anzeigen seien mit Abstand die wichtigste Einnahmequelle des US-Konzerns. Außerdem verrät die Mitgliedschaft in verschiedenen Gruppen viel über die eigenen Interessen. Diese Daten seien im Internet viel wert, so Buschow.

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Genau darin liegt auch ein entscheidender Unterschied zu den Foren der Prä-Social-Media-Ära: Werbung oder kommerzielle Interessen standen damals deutlich im Hintergrund. Zudem war das Angebot der Plattformen größer. Auf der anderen Seite sind das heutige Gründen und Verwalten einer Facebook-Gruppe deutlich einfacher als ein Forenstart damals. Eins ist dagegen gleich geblieben: Die Facebook-Gruppen leben ebenfalls von engagierten Moderatoren und umtriebigen Gründern, für die kommerzielle Interessen nicht im Vordergrund stehen.

Auch für Heinke bedeutet ihre Mamagruppe vor allem viel Arbeit, ein bis zwei Stunden investiert sie pro Tag. „Ich lege großen Wert auf ein niveau- und respektvolles Miteinander in der Gruppe. Das kostet viel Mühe, lohnt sich aber. In unserer Gruppe ist der Umgang miteinander deutlich harmonischer als im Rest des Internets", erklärt sie.

Bei Aufrechterhaltung der angenehmen Diskussionskultur unterstützen sie inzwischen acht freiwillige Moderatorinnen. Gemeinsam wird jeder Beitrag angesehen und erst danach freigeschaltet. Beleidigungen sind genauso tabu wie krude Fakten rundum Impfen, radikale Ansichten oder plumpe Werbung. Auch bei neuen Mitgliedern schaut das Team genau hin. Zum Beispiel gilt das Prinzip „Girls only". Für eine männerfreie Zone hat sich eine große Mehrheit der Mitglieder ausgesprochen. Etwas bekommt natürlich auch Heinke zurück: Die Hälfte ihrer Besucher kommt über Facebook auf ihren Blog. Regelmäßig stößt sie in der Gruppe auf neue Themenideen für ihre eigene Seite. Und wenn sie selbst mal handfeste Tipps für ihren Alltag mit Kindern braucht, kann sie einfach 26.000 andere Mütter um Rat fragen.

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