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Was tun, wenn Mama stirbt?

Es sollte ein schönes Abenteuer werden - mal nicht die Berge, mal nicht auf einen Bauernhof. Zum 30. Geburtstag meiner Frau fuhren wir mit unseren Kindern nach Thailand. Auch außerhalb des unbeschwerten Urlaubs ging es uns gut. Die Tage mit zwei kleinen Kindern waren zwar oft turbulent, aber wir hatten unsere Routine gefunden - als Familie, als Paar.

Nach der Rückkehr aus Asien fühlte sich meine Frau erschöpft. KeinHannover Grund zur Sorge. Müdigkeit ist für Eltern nichts Ungewöhnliches. Außerdem arbeitete sie seit Kurzem wieder als Erzieherin. Die Hausärztin sah das ähnlich, ordnete aber ein Blutbild an. Die böse Überraschung: Die Leberwerte waren stark erhöht. Der erste Verdacht fiel auf Zisten oder einen Parasiten. Gewissheit brachte letztlich eine Computertomografie: Darmkrebs im Endstadium. Sofort begann die Chemotherapie. Der Zustand meiner Frau verschlechterte sich rapide. Die Ärzte entschieden sich für die sofortige Entfernung des Darmtumors. Danach lag meine Frau im künstlichen Koma. Ihr Leben hing am seidenen Faden.

Die schönen Familienmomente pflegen

Innerhalb einer Woche war unser Familienleben dahin. Zum Glück sprangen Freunde und Familie ein, brachten die Kinder in die Kita oder ins Bett, wachten am Krankenbett. Tatsächlich ging es bald bergauf. Nach drei Wochen konnte meine Frau die Intensivstation verlassen und eine Reha beginnen. Zurück zu Hause kam sie von der Chemotherapie stark geschwächt. Trotzdem hatten wir viele schöne Familienmomente - manchmal sogar mit Aussicht auf Normalität. Wir fuhren in den Urlaub, gingen essen, besuchten Konzerte, feierten bis tief in die Nacht ihren Geburtstag. Auch die Lebermetastasen waren irgendwann so klein, dass einer weiteren Operation nichts mehr im Weg stand. Neun Stunden, danach künstliches Koma. Der Chefarzt war vorsichtig optimistisch. Es war ohnehin die einzige Chance auf Weiterleben.

Am Morgen nach dem Eingriff sah ich drei Anrufe in Abwesenheit auf meinem Smartphone. Auf der Mailbox war die dringliche Bitte ins Krankenhaus zu kommen. Der Zustand meiner Frau verschlechtere sich zusehends. Der Chefarzt riet mir, die Familie und Freunde zu informieren. Die nächsten Tage wachten wir auf der Intensivstation, so lange bis es keine Hoffnung mehr gab und die Maschinen abgestellt wurden.

Offenheit im Umgang mit dem Tod

Zeit für einen Zusammenbruch hatte ich nicht, ich musste funktionieren, für meine Kinder da sein. Wie betäubt fuhr ich von der Klinik zu meinen Eltern. Sie hatten in der letzten Woche auf die Kinder aufgepasst. Ihnen musste ich nun erklären, dass ihre Mutter nicht mehr lebt. Ihre Reaktionen fielen sehr unterschiedlich aus: Mein kleiner Sohn, damals zwei Jahre alt, hat gerade am Anfang viel geweint. Seine vierjährige Schwester malte dagegen bunte Bilder und verschenkte sie, wohl aus einem tiefen Bedürfnis heraus, uns glücklich zu machen. Die eigentliche Verarbeitung setzte bei ihr erst zwei Wochen später ein. Nun wollte sie alles genau wissen. Hatte Mama Schmerzen? Kommt ihre Seele in den Himmel? Warum wird ihr Körper verbrannt?

Ich versuchte, ihre Fragen so genau wie möglich zu beantworten. Ich bin Sozialpädagoge und habe viel Erfahrung mit Familienbegleitung. In meiner Berufspraxis fand ich Offenheit immer wichtig. Deshalb sprach ich mit Freunden und Angehörigen schon vor dem Tod meiner Frau über ein mögliches „Danach". Einerseits half es mir mit der Situation klarzukommen, andererseits wusste ich, dass sie mich unterstützen werden.

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Ich nahm mir bewusst Zeit für die erste Trauer. Ich war acht Wochen krankgeschrieben, nahm in dieser Zeit auch Schlafmittel und Psychopharmaka. Irgendwann beschloss ich „aktiv" mit dem Tod meiner Frau umzugehen. Ich räumte die Wohnung um, gab viele Sachen meiner Frau weg. Nur den Schmuck und einige Tücher behielt ich für meine Kinder. Inzwischen ist ein Jahr vergangen. Die Familienfotos hängen bis heute. So ist meine Frau weiter präsent. Wir sprechen auch oft von ihr. Meine Tochter sagt zum Beispiel abends am Fenster oft „Gute Nacht, Mama". Ich bewundere, wie stark sie ist.

Natürlich gibt es auch Momente, in denen sie ihre Mama sehr vermisst. Oft hilft es, wenn wir über unsere Traurigkeit sprechen. Ich möchte, dass meine Kinder wissen, dass auch ich bis heute trauere. Von den Großeltern haben wir Kissen mit einem Foto der Mama bekommen. So können wir beim Reden mit ihr kuscheln, auch ein Schal meiner Frau liegt immer in ihrem Bett. Manchmal wünscht sie sich den Besuch auf dem Friedhof. Dann gehen wir gemeinsam zum Grab und bringen Blumen mit. Für meinen Sohn verblasst die Zeit mit seiner Mutter immer mehr. Trotzdem möchte ich, dass er sie in liebevoller Erinnerung behält.

Von RND/Michael Tesche/aufgezeichnet von Birk Grüling Der Alltag als Herausforderung

Neben dem geliebten Menschen an unserer Seite fehlt meine Frau auch auf ganz praktische Weise. Als alleinerziehender Vater muss ich nun alles alleine stemmen. Unser Tag beginnt ganz früh. Ich bereite Frühstück zu, wecke die Kinder, sorge dafür, dass wir alle um 7 Uhr aus dem Haus kommen. Ich arbeite in Vollzeit als Kita-Leitung. Um 16 Uhr mache ich meistens Feierabend und hole die Kinder ab. Nachmittag und Abend gehören der Familie. Nach dem Abendbrot kehrt langsam Ruhe ein. Wenn die Kinder schlafen, erledige ich den Haushalt. Ein anstrengender Alltag. Das merke ich vor allem, wenn meine nervliche Zündschnur mal wieder besonders kurz ist und ich viel schimpfe. In solchen Momenten rufen beide auch nach ihrer Mama. Sie fehlt manchmal einfach als „Gegenpart" und Ruhepol. Natürlich gibt es viele schöne Momente, zum Beispiel am Wochenende. Dann ist alles entspannt, wir schauen im Schlafanzug Kinderfernsehen und essen etwas Leckeres.

Auch von Freunden und Verwandten bekomme ich viel Unterstützung - zum Beispiel, wenn ich mal einen freien Abend zum Durchatmen brauche. Auch wenn ich manchmal auf dem Zahnfleisch gehe, war Aufgeben nie eine Option. Es gibt da draußen viele andere Menschen, die das auch schaffen.

Allein mit der Trauer?
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