Aus Angst vor Covid-19 lassen Reisende sogar Flugtickets verfallen. Technisch gesehen müsste man gar nicht mehr in den Flieger steigen: Einfach die Virtual-Reality-Brille aufsetzen und ab geht's. Ersetzt das echten Urlaub? Ein Selbstversuch von Birgit Raddatz
Zugegeben: Ich habe selbst meinen Urlaub nach Mailand kürzlich verschoben. Nicht so sehr aus Angst, mich anzustecken, sondern vielmehr aus Sorge, dass die deutschen Behörden doch eine Reisewarnung für Italien aussprechen könnten und das ausgegebene Geld dann futsch ist.
Auch deshalb finde ich die Idee reizvoll, künftig einfach virtuell an Orte zu reisen. Die VR-Brillen sind in den vergangenen Jahren immer besser geworden. Und auch der Inhalt wird stetig erweitert, selbst wenn der Markt für die Virtual-Reality-Angebote immer noch überschaubar bleibt und sich mehr auf Spiele bezieht. Im Jahr 2018 hat die Gaming-Branche laut einer Studie der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC rund 62 Millionen Euro mit VR-Technik umgesetzt - relativ gesehen war das ein Anstieg von 31 Prozent. Der Verkauf von Virtual-Reality-Videos brachte demnach 43 Millionen Euro ein.
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Grund genug also, das Ganze auch noch einmal für die Reisebranche zu testen. Bei der Produktionsfirma IntoVR & Video bekomme ich eine Kostprobe. Geschäftsführerin Christiane Wittenbecher führt mich in den Keller des Unternehmens und hilft mir, die VR-Brille aufzusetzen. Als Autorin dreht sie 360-Grad-Reisereportagen für verschiedene Abnehmer. Ich entscheide mich für einen Film über Albanien, ein für mich bisher unbekanntes Land. Durch die Brille, die meine Augen komplett einschließt, soll ich ein möglichst echtes Eintauchen erleben.
"Das Medium verschwindet, weil es mich und den Bildschirm nicht mehr gibt. Das macht die Immersion aus" (der Effekt, der das Bewusstsein des Nutzers, illusorischen Stimuli ausgesetzt zu sein, so weit in den Hintergrund treten lässt, dass die virtuelle Umgebung als real empfunden wird, Anm.d.Red), sagt Christiane Wittenbecher. Die Journalistin steht nicht nur neben mir, sondern führt mich auch durch den Film, eine virtuelle Reiseleiterin sozusagen. Ich kann mich zwar überall umschauen, aber wenn ich an mir runterschaue, habe ich keinen Körper. Dieses Gefühl und die Schnitte im Film führen dazu, dass ich die ganze Zeit weiß, dass alles nicht echt ist.
Das Gehirn merke eben immer noch, dass es sich um eine computergenerierte Welt handle, sagt auch Professor Frank Steinicke. Der Informatiker hat die Professur für Mensch-Computer-Interaktion an der Universität Hamburg inne. Technisch sei es zwar möglich, Welten zu schaffen, die wir nicht mehr von der Realität unterscheiden können. "Das beinhaltet aber alle Sinne: Das heißt, ich muss diese Welt nicht nur sehen und hören, sondern auch schmecken, riechen und fühlen können", sagt Steinicke.
Bisher ist die Technik außerdem nicht als Alternativangebot für echte Reisen gedacht, sondern vielmehr dafür, Menschen den Ort schmackhaft zu machen, bestätigt Christiane Wittenbecher von IntoVR. "Ich habe mal jemandem Bhutan gezeigt, ein Land, in das man nicht so einfach einreisen kann. Danach hat er gesagt, dass ich ihm einen Traum erfüllt habe und er dort jetzt gerne einmal hinfliegen möchte."
CoronavirusAuch ich habe, nachdem ich den weißen Strand der Adria virtuell gesehen habe, Lust auf das echte Land bekommen. Vorher mache ich mich aber auf den Weg zum Tempelhofer Feld. Hier sitzt die Agentur für digitale Transformation, Exozet. Ich bin mit dem Direktor für immersive Medien, Thomas Bedenk, verabredet. Auch er setzt mir direkt die VR-Brille auf. Dieses Mal sollen aber auch meine anderen Sinne stimuliert werden. Ich spiele virtuell Klavier mit Beethoven, vor mir steht ein echtes Klavier.
Und dann spielt mir Thomas Bedenk eine Szene vor, auf die ich nicht vorbereitet bin. Er schaltet eine Windmaschine ein, vor meinen Augen erscheint das Rollfeld eines Flughafens. Ich stehe auf einer erhöhten Plattform. "Machen Sie doch mal zwei Schritte nach vorn", höre ich den VR-Experten sagen. Ich traue mich nicht, habe wirklich Angst, herunterzufallen.
Auch Thomas Bedenk hat so eine realitätsnahe Erfahrung schon einmal gemacht. Im Europapark Rust stieg er mit VR-Brille und Tauchausrüstung in ein echtes Schwimmbad. Er habe das Wasser fühlen können, auf dem Bildschirm sah er ein Korallenriff. "Ich war noch nie tauchen und allein dieses Gerät auszuprobieren und dadurch zu atmen und dann noch mal an einem völlig anderen Ort zu sein, das war schon faszinierend." Für Thomas Bedenk ist die VR-Technik eine Ergänzung zur echten Reise. "Man will vielleicht einfach mehr und verschiedene Erlebnisse haben. Wenn man zehn Sachen virtuell ausprobiert hat, dann entscheidet man sich vielleicht nur noch für eine Sache, die man im realen Leben ausprobieren will."
Und dann gibt es ja auch noch die Orte, die nur noch eingeschränkt begehbar sind. Wie die Heilstätten in Beelitz zum Beispiel. Das Startup Realities.io hat sie virtuell konserviert. Damit sich jeder das Gebäudedenkmal der Heilstätten individuell anschauen kann, haben Daniel Sproll und sein Team rund 200 Fotos von dem alten Brandenburger Krankenhaus geschossen. Die Bilder werden später am Computer zusammengefügt und sind jetzt in 360-Grad zu sehen. "Touristenhorden, die durch historische Stätten geschleust werden, zerstören vielleicht die Sehenswürdigkeit. Man kann ein paar dezidierte Probleme mit Virtual-Reality lösen, die vom Tourismus ausgehen", so Sproll.
Und auch, wenn noch nicht bei jeder VR-Erfahrung alle Sinne gleichzeitig stimuliert werden, so konnte ich dadurch doch Orte intensiver erleben, als beispielsweise durch einen normalen Film. Und manchmal reicht das ja schon, um mitreden zu können.
Sendung: Inforadio, 07.03.2020, 09:25 Uhr Kommentarfunktion am 12.03.2020, 13.30 Uhr geschlossen. Die Kommentare dienen zum Austausch der Nutzerinnen und Nutzer und der Redaktion über die berichteten Themen. Wir schließen die Kommentarfunktion unter anderem, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt.Beitrag von Birgit Raddatz
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