Beim Stöbern und Vergleichen, beim Bieten und beim Feilschen sind eben alle Menschen gleich. Ein Lexikon
PRIVATSPHÄRE
Auf Flohmärkten lauert ein Spannungsverhältnis (➝Dialektik). All die Besonderheiten üben ihren Reiz aus, gleichzeitig dringt man aber ständig in die Privatsphäre unbekannter Menschen ein. Die Fotoalben, die ein ganzes Leben bebildern, die Notizbücher, die Kalender, die von Zahnarztterminen und Rendezvous zeugen. Man steht davor und fragt sich: Geht mich das was an, oder ist das Voyeurismus? Wie fände es Onkel Ernst, wenn er wüsste, dass seine Postkarte aus Rimini an Tante Ella jetzt in einem Schuhkarton verkauft wird? Bei allen Hemmungen ist die Neugier aber eben auch immer groß, das Leben der anderen ist einfach spannend. Und inspirierend. William Boyd zum Beispiel bebilderte seinen neuen Roman Die Fotografin mit Fotos, die er sich auf Flohmärkten zusammengesammelt hatte. Benjamin Knödler
Dieser Beitrag erschien in Ausgabe 12/16 der Wochenzeitung "der Freitag".
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