Erst jüngst wurden zwei Rentner beim Randalieren auf einem Kunstpfad erwischt. Unser Wochenlexikon über die lange Geschichte des Kulturhooliganismus
RENTNER
Man könnte meinen, dass sich mit dem Seniorenalter Gemütsruhe einstellt. Doch bei vielen Rentnern schlummert offensichtlich noch viel Energie. Und bei manchen wird die nicht zum Weltreisen, sondern zum Kunsthooliganismus genutzt. Jüngst wurde im südhessischen Grasellenbach ein Rentner-Paar auf einem Kunstpfad ertappt, als es eine Installation beschmierte und einen Sachschaden von rund 10.000 Euro verursachte. Die beiden randalierten wohl seit 2015 in Serie.
Die Neigung, Kunst anzureichern, scheint im fortgeschrittenen Alter generell stark ausgeprägt. Nicht nur kam die spanische Rentnerin Cecilia Giménez 2012 mit ihrer missglückten Restauration eines ➝ Jesus-Freskos zu Weltruhm, sondern es fing sich außerdem erst im Juli eine 90-Jährige durch einen Besuch im Nürnberger Neuen Museum für Kunst und Design eine Anzeige wegen „gemeinschädlicher Sachbeschädigung“ ein. Die Frau hatte ein Kreuzworträtsel, das Teil einer Collage des Fluxus-Künstlers Arthur Köpcke war, ausgefüllt. Ihre Erklärung: Fluxus sei eine Kunstform, die zum Mitmachen einlade, sie habe das Werk deshalb eher noch wertvoller gemacht. Benjamin Knödler
ZIVILISATIONSHASS
Im Mai 2015 fiel die syrische Stadt Palmyra in die Hände des IS. Bald darauf häuften sich die Berichte, dass die Terrorgruppe begonnen habe, ➝ Tempel, Statuen und den berühmten Triumphbogen niederzureißen. Zuvor waren auch die Bibliothek und das Museum im irakischen Mossul den IS-Kämpfern zum Opfer gefallen. 2012 zerstörten bewaffnete Islamisten zudem ein Mausoleum in Timbuktu. Auch diese Nachrichten gehören zu den Kriegsmeldungen. Dahinter steht jedoch nicht nur religiöser ➝ Ikonoklasmus – meist zeugten die Monumente von der reichen islamischen Geschichte –, sondern es ist ein Vernichtungswille, der sich gegen die Zivilisationsgeschichte an sich, ja vornehmlich sogar gegen die eigenen vielfältigen Wurzeln richtet. So gesehen ist die Kulturbarbarei des IS stets auch eine Form des brutalen Selbsthasses. Benjamin Knödler
Dieser Beitrag erschien in Ausgabe 34/16 der Wochenzeitung "der Freitag".