Dass es bei den Atomverhandlungen mit dem Iran keine Lösung gibt, ist zwar dramatisch. Aber immer noch besser, als auf einen neuen Bluff des Iran hereinzufallen.
Von Benjamin Dierks
Diplomatie hat ihre Tricks, um davon abzulenken, wenn es mal nicht so gut läuft. Einer ist in den Atomverhandlungen mit dem Iran zu beobachten. Dort hat einfach eine neue Zeitrechnung begonnen. Gezählt wird neuerdings seit der sogenannten Zwischenlösung vor einem Jahr. Die Verhandlungen seien nun zum zweiten Mal verlängert worden, heißt es. Das ist natürlich irreführend, denn die Verhandlungen wurden schon etliche Male verlängert oder vertagt. Schließlich verhandeln die westlichen Mächte und der Iran nicht erst seit einem, sondern seit mittlerweile über zehn Jahren. Zehn Jahre, in denen der Iran geblufft hat, wo es nur ging. Und das hat er auch diesmal getan.
Iran hat wieder geblufft
Deshalb ist es zwar dramatisch, dass es noch immer keine Verhandlungslösung gibt. Es darf aber zu den vom Iran verlangten Konditionen - die weitgehende Beibehaltung des Status quo bei gleichzeitiger Lockerung der Sanktionen - keinen Deal geben.
Die neue Hoffnung auf eine Annäherung an den Iran ist zum großen Teil Präsident Hassan Rohani geschuldet. Der gibt sich im Vergleich zu seinem bärbeißigen Vorgänger so versöhnlich, dass sich im Westen bisweilen der Eindruck breit macht, man müsse ihm nur helfen, sich gegen die Hardliner im Iran durchzusetzen, und alles würde gut. Und damit spielt die iranische Führung. Denn es gibt diese Fraktionen zwar seit jeher in der Islamischen Republik. Aber der Iran versteht es mittlerweile meisterlich, fehlende Flexibilität in den Verhandlungen auf die internen Widerstände zu schieben. Dabei hat auch Rohani von Anfang an gesagt, dass die Urananreicherung, der springende Punkt der Verhandlungen, für ihn nicht verhandelbar sei.
Urananreicherung nicht verhandelbar
Teheran hat offenbar geglaubt, dass es dem Westen eine Einigung mit anderen Mitteln - zum Beispiel die dringend benötigte Unterstützung im Kampf gegen die Terroristen vom Islamischen Staat - so schmackhaft machen kann, dass es auf die Anreicherung nicht mehr ankommt.
Das ging einher mit dem Versuch, dem Iran ein neues Image zu verpassen. Das Aufsehen um Rohanis Wahl nutzten er und seine Führung, um das alte Bild vom Iran eines Präsidenten Ahmadinedschad, der den Westen und sein Volk gleichermaßen malträtiert, abzustreifen. Und damit auch die leidige Nuklearfrage. Das ging so weit, dass Rohani beim jüngsten Besuch bei der Uno in New York die Regierung von Präsident Obama anhielt, sie möge doch diese "unwichtige Sache" hinter sich lassen. Derweil versucht er, die Wirtschaft des Landes trotz der schmerzhaften Sanktionen des Westens zu stabilisieren, und streckt diplomatisch die Arme aus: Seht her, so die Botschaft, hier herrscht wieder Normalität.
Auf Kosten der Bevölkerung
Die Schuld für das erneute Scheitern der Gespräche schob er schon vorab den USA in die Schuhe, die den Iran mit maßlosen Forderungen in die Ecke getrieben hätten. Das ist nichts Neues, aber besonders auffällig in der derzeitigen Strategie. Denn in diesem Zuge war in Teheran auch die Rede von den US-Republikanern, die ja, wenn sie erst einmal die Mehrheit im Parlament stellen, gar keinen Deal mehr zulassen würden. Da wurde spekuliert, Präsident Obama brauche so dringend einen Erfolg, dass er jetzt allem zustimmt. Dazu hat Obama übrigens selbst beigetragen, als er in der heißen Phase der Verhandlungen einen Brief an den obersten iranischen Führer Ali Chamenei schrieb. Darin beschwor er die gemeinsamen Sicherheitsinteressen. Die iranische Führung, das hat sie schon häufig gezeigt, deutet solch ein Entgegenkommen als Schwäche.
Das macht das vorläufige Scheitern der Gespräche nicht besser. Der Optimismus dieses Jahres wird sich nicht ewig aufrecht halten lassen. Und ohnehin ist der Konflikt an einem Punkt angekommen, an dem die Möglichkeit des Iran, eine Atombombe zu bauen, gar nicht mehr grundsätzlich verhindert werden soll. Sie wird nur aufgeschoben. In einer solchen Zeit sind Verhandlungen aus Sicht der Diplomaten ein Wert an sich. Der Iran wird derweil versuchen, mit Sanktionen und fallenden Ölpreisen zurechtzukommen - auf Kosten seiner Bevölkerung. Von den Iranern übrigens, das lässt sich heraushören, und das ist auch ein leiser Hoffnungsschimmer, setzen viele große Erwartungen in die Annäherung an den Westen. Sie dürften es Rohani sehr übel nehmen, wenn er die verpatzt.