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Milliarden-Wahnsinn: BILD erklärt den Immobilien-Deal des Jahrzehnts

Berlin - Rot-Rot-Grün jubelt: Zwei große Quartiere in den Bezirken Spandau und Reinickendorf mit 5894 Wohnungen werden wieder landeseigen. Die städtische Gewobag zahlt dafür 920 Millionen Euro.

„Es dient dem Ziel, Mietern Sicherheit zu geben", sagt Berlins Regierender Michael Müller (54, SPD). „Mit dem Erwerb schließen wir den größten Re-Kommunalisierungs-Ankauf in der Geschichte Berlins ab", so Bausenatorin Kathrin Lompscher (57, Linke).

Die CDU-Opposition bringt ihre Kritik auf eine kurze Formel: BILLIG VERKAUFT, TEUER ZURÜCKGEKAUFT! Genauer gesagt: 65 000 Wohnungen für 2 Mrd. verkauft, davon 6000 für knapp 1 Mrd. zurückgekauft! BILD erklärt den Milliarden-Wahnsinn Was sind das für Wohnungen?

Sozialwohnungen (gebaut 1960-1990er Jahre). Bauherr war damals Berlins größtes städtisches Wohnungsunternehmen, die GSW. 2004 stieß der rot-rote Wowereit-Sarrazin-Senat das hochverschuldete Unternehmen (1,56 Milliarden Euro Schulden, 65 000 Wohnungen) ab, kassierte noch 405 Millionen Euro Cash.

Was passierte dann mit den Wohnungen?

Heuschrecken saugten aus der GSW Kapital, dann ging man an die Börse (2013). Dort übernahm Deutsche Wohnen die Aktien und bot zwei Jahre später ein separates Paket mit eben den Spandauer und Reinickendorfer Immobilien zum Verkauf an.

Warum kaufte Berlin nicht schon 2015 zurück, als Wohnraum bereits knapp war?

„Wir werden die Frage stellen, warum der damalige SPD-Staatssekretär Lütke Daldrup (heute Flughafenchef) ein Rückkaufangebot im gleichen Wohngebiet zu einem Drittel der Kosten abgelehnt hat", kündigt CDU-Experte Christian Gräff (41) an. Vielleicht ja, weil z.T. Asbest verbaut wurde.

Warum greift die städtische Gewobag jetzt zu?

Größenordnung und guter Zustand seien ein für Berlin einzigartiges Portfolio. Das Irre: Während der aktuelle Verkäufer Ado Properties 2015 nur 375 Millionen Euro zahlte, muss die Gewobag vier Jahre später fast eine Milliarde Euro blechen - mehr als doppelt so viel!

Warum meutert Finanzsenator Matthias Kollatz (61, SPD) nicht?

Der SPD-Politiker zu BILD: „Immobilien haben sich bundesweit verteuert. Vor allem in Großstädten und ganz besonders in Berlin. Der Kauf ist gerechtfertigt, da er ohne Zuschüsse aus dem Landeshaushalt möglich war. Und er trägt sich wirtschaftlich für die Gewobag, was auch mit den sehr niedrigen Zinsen zu tun hat."

Wie zahlt die Gewobag?

Unter anderem durch Schuldscheindarlehen. Im Kaufpreis stecken auch 340 Millionen Euro bestehende Darlehen, die übernommen werden müssen.

Die Gewobag hat an der Karl-Marx-Allee (Mitte) auch sehr teuer gekauft - baut sie eigentlich auch mal?

Die Gewobag will in den nächsten zehn Jahren von demnächst 68 000 Wohnungen auf 80 000 erhöhen. Etwa 12 000 davon durch Neubau. Allein 2020/21 ist Baustart für 3500, zwei Großprojekte laufen schon: Waterkant in Spandau 2200, Gartenfeld 1300 Wohnungen.

Müssen die Mieter den euren Kauf durch höhere Mieten finanzieren? Das kommunale Unternehmen hat Senatsvorschriften: maximal zwei Prozent mehr Miete/Jahr, 60 Prozent der freiwerden Wohnungen an WBS-Schein-Inhaber. Und vielleicht kommt ja noch der Mietendeckel.

Das sagen die Mieter aus Reinickendorf

„Der Eingang ist oft vermüllt, aus den Fenstern fliegen Windeln, Mülltüten oder Kippen. Der Eigentümer hat sich kaum um Probleme gekümmert. Als der Fahrstuhl kaputt war, haben sie uns sogar Vandalismus vorgeworfen."

„Ich finde es optimal, dass die Stadt das Gebäude zurückkauft. In meiner Wohnung hat es mal gebrannt. Danach ist vier Jahre nichts passiert. Als sie dann kamen, haben sie Asbest gefunden. Anstatt das auf eigene Kosten zu entfernen, haben sie mir eine neue Küche angedreht und es mir als Modernisierung in Rechnung gestellt."

„Ich wohne seit zwei Jahren mit meinem Mann und zwei Kindern hier. Wenn man den Reparaturservice anruft, passiert nichts. Auf E-Mails bekommt man auch keine Antwort. Wir zahlen fast 950 Euro warm für 86 Quadratmeter"

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