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Ende der Roaming-Gebühren könnte Nutzer im Inland belasten

Für Touristen im EU-Ausland sind Roaming-Gebühren oft ein Ärgernis.

Was populär klingt, könnte zulasten der meisten Handynutzer gehen: Experten kritisieren den Vorschlag, die Preisaufschläge für Mobilfunk im EU-Ausland abzuschaffen.


Auf den ersten Blick klingt er verlockend, der neue Gesetzesvorschlag der Europäischen Kommission: Sie will laut Medienberichten dafür sorgen, dass ein Telefonat oder eine SMS aus dem EU-Ausland künftig genau so viel kostet wie im Inland. Die ungeliebten Roaming-Gebühren sollen schon im nächsten Sommer abgeschafft werden. Doch Experten sehen die Initiative kritisch. Denn was Geschäftsreisende und Touristen durch die wegfallenden Gebühren im Ausland sparen würden, könnte zulasten vieler Handynutzer im Inland gehen. Es spricht einiges dafür, dass die Zeit stark sinkender Preise für Mobilfunk innerhalb Deutschlands bald vorbei sein wird.

Mit den Preisaufschlägen für die Nutzung ausländischer Netze haben Mobilfunkanbieter in den vergangenen Jahren viel Geld verdient. Sie haben sich zunutze gemacht, dass Auslandstarife für viele Kunden kein entscheidendes Kaufkriterium sind. „Der typische Verbraucher achtet beim Abschluss eines Handyvertrages auf das Endgerät, die Kosten für eine SMS und so weiter", sagt Justus Haucap, Wirtschaftsprofessor an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und bis 2012 Vorsitzender der Monopolkommission. Deshalb bezahlen viele Handynutzer für einen Anruf aus dem Urlaub oder eine SMS aus dem EU-Ausland übermäßig viel Geld.

Im Jahr 2007 entschied die Europäische Kommission, gegen diese Preispolitik vorzugehen. Um dem Europäischen Binnenmarkt nicht zu schaden, müssen sich Mobilfunkanbieter seitdem an Preisobergrenzen halten. Jahr für Jahr wird die Handynutzung im EU-Ausland dadurch günstiger. Es ist bereits beschlossen, dass die Tarife im Juli 2014 wieder deutlich sinken werden, vor allem das Surfen auf dem Handy wird dann billiger werden.

Im Juli 2014 sinken die Preisobergrenzen für Handynutzung im EU-Ausland erneut

Nun will die zuständige EU-Kommissarin Neelie Kroes die regelmäßigen Preisvorgaben aus Brüssel beenden. Stattdessen sollen die Mobilfunkanbieter freiwillig auf Roaming-Gebühren verzichten. Damit sie das auch tun, sollen sie verpflichtet werden, es einem Kunden im Ausland ganz einfach zu machen, für die Zeit seines Aufenthaltes zu einem örtlichen Anbieter zu wechseln. Der Heimatanbieter müsste unter anderem das Geld für seinen ausländischen Konkurrenten eintreiben. Das ist ihm zu viel Arbeit, deshalb schafft er die Roaming-Gebühren ab - so Kroes' Kalkül.

Konkurrenz vor Ort fördern statt Festpreisen - eigentlich ein Schritt in die richtige Richtung, findet Justus Haucap. „Doch die Abschaffung der Roaming-Gebühren wird nicht ohne Einfluss für die Marktstruktur bleiben", schätzt der Experte. Zwei unangenehme Nebenwirkungen seien denkbar.


Anschaffungskosten für Handys könnten steigen

Den einen nennen die Forscher Wasserbett-Effekt: Wird die eine Seite des Wasserbetts belastet, bläht sich die andere Seite auf. Heißt für die Mobilfunkanbieter: Wenn das profitable Roaming-Geschäft wegfallen sollte, dürften sie an anderer Stelle versuchen, mehr Geld zu verdienen. Beispielsweise könnten sie die Endgeräte weniger stark subventionieren, Vertragshandys würden somit in der Anschaffung teurer. „Es könnte ein Umverteilungseffekt entstehen", sagt Haucap, „das wird sich zeigen müssen." Für das Gros der Handynutzer in Deutschland würden die Tarife dann nicht weiter sinken, dafür profitierten Geschäftsreisende und Touristen.

Außerdem gerieten die Netzbetreiber in weiteren Konsolidierungsdruck. Die Regulierung der Terminierungsgebühren habe ihnen bereits zugesetzt. „Kleine Anbieter haben es immer schwerer", sagt Haucap, „sie sind schon seit längerer Zeit an der Grenze der Profitabiliät." Bestes Beispiel sei die Fusion der kleineren deutschen Netzbetreiber O2 und E-Plus. Auch in anderen europäischen Märkten nehme die Konzentration zu.


„Populistische Forderung vor der Europawahl"

Doch ein Mobilfunkmarkt mit weniger, dafür größeren Anbietern könnte für die Verbraucher von Nachteil sein. Zudem erscheint es paradox, dass die Europäische Kommission den Markt eigentlich beleben will, durch ihre konkreten Maßnahmen aber die Anbieterkonzentration fördern könnte. Deshalb kritisiert auch Torsten Gerpott, Professor für Telekommunikationswirtschaft an der Universität Duisburg-Essen, die Europäische Kommission komme hier populistischen Forderungen nach - pünktlich vor den Wahlen zum Europäischen Parlament im nächsten Frühjahr.

Gerpott zweifelt daran, dass die Anbieter wirklich freiwillig auf Roaming-Gebühren verzichten würden. „Wenn ich nicht gezwungen bin, gehe ich doch nicht als Preisbrecher voran", argumentiert der Experte. Die Barrieren, den Mobilfunkanbieter - wenn auch nur vorübergehend - zu wechseln, seien bei den Verbrauchern vergleichsweise hoch. Außerdem seien die Auslandstarife für die Anbieter von Mobilfunkverträgen ein wenig relevantes Teilgebiet. Darüber hinaus zweifelt Gerpott an der politischen Umsetzbarkeit der Vorschläge von EU-Kommissarin Kroes: „Ich glaube nicht, dass sie dafür eine Mehrheit bekommt."

Auch Thomas Bradler, Mobilfunkexperte der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, erwartet, dass der Preisverfall der Handytarife in Deutschland bald vorbei sein wird. „Eher werden sich die Kosten für Telefonie auf dem aktuellen Niveau einpendeln." Trotz der möglichen Nebenwirkungen bezeichnet Bradler die Pläne der Europäischen Kommission als gute Nachricht für die Verbraucher. Schließlich funktioniere der europäische Mobilfunkmarkt wirklich nicht richtig. „Noch ist man geneigt, im Ausland möglichst wenig zu telefonieren, weil die hohen Kosten abschrecken", so der Verbraucherschützer. Wenn die Aufschläge für die Nutzung ausländischer Handynetze wegfielen, könnte das Gesprächsvolumen innerhalb Europas deutlich zunehmen.

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