Der Ort, an dem die Kulturschätze eines einst mächtigen afrikanischen Königreichs verwaltet wurden, liegt im Berliner Tiergartenviertel, unweit der Siegessäule, flankiert von etlichen Botschaften. Die Villa von der Heydt ist ein Bau von klassizistischer Klarheit: Die Fenster sind in symmetrischen Reihen angeordnet, werden umrahmt von kantigen Giebeln. Alles daran strahlt preußischen Ordnungssinn aus.
Von einem Schreibtisch aus braunem Marmor blickt Dr. Hermann Parzinger über den Garten der Villa. Die Platanen tragen sattes Laub. Parzinger, Vorsitzender der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, musste sich in den letzten Monaten vielen Interviews stellen, und immer ging es um die Benin-Bronzen. Letzten August hatte die Stiftung alle Eigentumsrechte an Nigeria übertragen; an das Land also, aus dem die Werke einst geraubt wurden. Es sollte ein Akt der Sühne sein. Und doch häufen sich nun die kritischen Fragen der Journalisten. Was Parzinger ihnen sagte, sagt er auch jetzt: „Wenn wir überzeugt sind, dass die Rückgabe richtig ist, dann dürfen wir keine Bedingungen stellen.“
Fast 7000 Kilometer weiter südlich, in einem Waisenhaus am Rande von Benin City in Nigeria, sitzt ein anderer Mann an seinem Schreibtisch, ein Prinz. Von diesem Tisch blättert der Lack, er wurde gespendet von Western Union. Bücher stapeln sich in allen Ecken des Büros, Kinder toben im Innenhof, und irgendwo ein paar Straßen weiter findet eine christliche Prozession statt; Trommellärm dringt durch die unverdichteten Fenster. Der Prinz stellt sich als Patrick Oronsaye vor, er ist Kunsthistoriker, Maler, Betreiber des Waisenhauses – und, fast hätte er es vergessen zu erwähnen: Er ist Großenkel des Oba Ovonramwen – jenes Königs, der über das Königreich geherrscht hatte, als es unterging.