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Kali Uchis Red Moon In Venus [Interscope] |
Wie ein Dickicht aus Orchideen und Schlingpflanzen nimmt „Red Moon In Venus“ ab der ersten Minute gefangen. Überwiegend auf Englisch verwebt diese Platte femininen Eskapismus, Astrologie und Kali Uchis‘ Liebesleben zu sinnlichen, trippy Klangwelten. Transzendentale Momente wechseln sich mit ganz manifesten Realisationen ab: „What’s the point of all the pretty things in the world, if I don’t have you?“ Für Uchis war „Red Moon In Venus“ ein weiterer Schritt auf der globale Popbühne, die sie sich mit ihrem charakteristischen, souligen R’n’B-Sound schon seit einiger Zeit von der Latinpop-Ecke aus erspielt hat. Und ihre Kreativität scheint weiter zu sprudeln: Mit „Orquídeas“ hat sie zu Anfang des Jahres bereits ihr Nachfolgealbum veröffentlicht. (Benedict Weskott) |
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ANOHNI And The Johnsons My Back Was A Bridge For You To Cross [Rough Trade] |
Es war ein Comeback, das Fans lange erwartet hatten: ANOHNI wiedervereint mit den Johnsons. Die Namensgeberin der Band und Ikone der queeren Befreiungsbewegung Marsha P. Johnson beehrt das Cover und signalisiert auch die Richtung, in die sich ANOHNI inhaltlich und klanglich aufmacht. Vorbei sind die Zeiten experimenteller, glasklarer Electronica-Sounds aus Zusammenarbeit mit Hudson Mohawke und Oneohtrix Point Never auf „Hopelessness“ vor sieben Jahren. Tiefe Trauer über die Unterdrückung queerer, insbesondere trans Menschen und die fortschreitende Zerstörung der Umwelt verpackt ANOHNI mit ihrer Band auf „My Back Was A Bridge For You To Cross“ in nostalgischen Soulsound, der mal überraschend weich bettet und dann wieder wütenden Gitarrenriffs und Drumsoli ihren Lauf lässt. Alles getragen wie immer von ANOHNIs unverwechselbarer, alles einnehmender Stimme. Eine Ode an alle, die auf der Strecke blieben und bleiben. (Benedict Weskott) |
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Caroline Polachek Desire, I Want To Turn Into You [Perpetual Novice] |
Es beginnt mit einer Serie von Schreien, wie Tarzan sie nicht besser ausstoßen könnte. Damit ist das Level an Exzentrik für alles folgende direkt gesetzt. „Desire, I Want To Turn Into You“ zeigt Caroline Polachek in der (bisher) besten Form ihres musikalischen Schaffens. Vom philosophischen Blick in den Londoner Sternenhimmel („Butterfly Net“) bis zur tropischen Insel („Welcome to My Island“) dient eine unersättliche Sehnsucht, ein Begehren, das auf die verschiedensten Dinge abzielt und in immer wieder neue Richtungen zeigt, als roter Faden durch die Platte. Während Polachek eins werden möchte mit dieser Sehnsucht, erschafft sie ein Album, das maximalistisch im besten Sinne ist – und trotz allem Aufwand an keiner Stelle bemüht oder angestrengt wirkt. Es präsentiert einen Eklektizismus, der neben Polacheks unnachahmlicher Stimme Anleihen bei so unterschiedlichen Klangwelten wie keltischem Folk, Latinpop, Madonnas ikonischem „Ray Of Light“-Album und 2000er-Radiopop à la The Corrs sucht und findet. So spannt sich ein Bogen von Flamencogitarren („Sunset“) über einen Kinderchor („Billions“) bis zu Dudelsäcken („Blood and Butter“). Und wenn das Vokabular mal fehlt, werden einfach neue Begriffe erfunden: „scorny“, „hopedrunk“, „mythocological“, „wikipediated“. In Form von „I Believe“ und der vollkommen unwahrscheinlichen Vereinigung mit Dido und Grimes im Liquid-Drum’n’Bass-Song „Fly To You“ finden sich dann in der Albummitte die endgültigen Beweise dafür, dass Polachek ein absolut unüberschätzbares Juwel der zeitgenössischen Popmusik ist. (Benedict Weskott) |
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