Island hat rund 320.000 Einwohner. Gefühlt macht ungefähr die Hälfte davon Musik, so viele gute isländische Bands und Musiker gibt es. Björk und Sigur Rós sind wahrscheinlich die bekanntesten unter ihnen, aber auch Retro Stefson, Of Monsters And Men, Emiliana Torrini, Sóley und FM Belfast kommen von der Insel am Polarkreis. In diesen Kreis reiht sich jetzt Ásgeir Trausti ein. Auf seinem Debütalbum "In The Silence" leistet er einmal mehr den Beweis dafür, dass die Isländer es musikalisch einfach drauf haben.
Folkig und singer/songwriter-esk kommt sein Sound daher. Von Zeit zu Zeit wird die Musik aus dem ruhigen, melancholischen Sound gerissen und mit elektronischen Zusätzen zu noch poppigeren und dann umso fröhlicheren Tracks. Zu Hause in Island ist der 21-jährige Ásgeir schon ein Star. Fast zehn Prozent der isländischen Bevölkerung besitzen sein Debüt "Drýrð í dauðaþögn", das den Rekord als schnellstverkauftestes Album eines nationalen Künstlers auf der Insel gebrochen hat. Dreifach Platin hat er mittlerweile dafür bekommen, außerdem vier Iceland Music Awards und eine Nominierung für den Nordic Music Prize. Jetzt geht es also an die Eroberung von Kontinentaleuropa mit Falsettgesang und süchtigmachenden Melodien und Beats.
"In The Silence" zieht von Anfang an in seinen Bann. Mit ordentlich Hall hinter der Stimme und einer Portion Pathos manövriert Ásgeir durch die Stille, die von Zeit zu Zeit gar nicht mal so ruhig ist. "Torrent" erinnert mit seinen Trommelwirbeln und Pauken schon fast an Woodkid, "In Harmony" wartet sogar mit Trompeten und Fanfaren auf. Den Unterschied macht die zerbrechliche, schöne Stimme. "Going Home" verliert sich in Repetitionen und Melancholie. Man kann die verschneite, ruhige, leicht depressive Atmosphäre in Ásgeirs 48-köpfigem Heimatdorf quasi spüren. Abgelöst wird diese Stimmung von "Head In The Snow", dessen Titel zwar Programm sein könnte, das aber stattdessen wieder beschwingt und leichter ankommt. Programmatisch sind also eher diese Gegensätze zwischen düsterer Stille und fröhlicher Freude als Stille oder Melancholie.
"Summer Guest" und "King And Cross" sind die besten Beispiele für die gute Laune, die in der Stille überraschenderweise auch noch wartet. In ersterem Song geht es schlicht um einen Zugvogel der nach Hause kommt und von seiner Reise erzählt: "My bird flies from afar, brings the joy of spring to me over the ocean's endless blue, he never fails, his path is clear and true." Ein bisschen ist es, als würde Ásgeir für den Hörer seiner Musik sprechen, wenn er dann singt: "He warms my heart with wonderous songs, I listen close, he tells of battles won. From my heart I thank you friend for this precious melody, for these sweet and pure tones, sweet and pure tones." Für so schöne Musik und die Menschen, die sie schaffen, kann man tatsächlich nur aus tiefstem Herzen dankbar sein. Und natürlich darauf hoffen, dass Ásgeir erst ausgiebig auf Tour geht und anschließend noch mehr wunderschöne Musik macht.
Silberling der Woche 06/2014
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