Wer von Ed Tulletts fünf Jahre altem Erstling „Never Joy" auf die neue Solo-Platte schließt, hat weit gefehlt. Vom einstigen Indie-Folk-Pop, den er damals in Eigenregie über Bandcamp vertrieb, ist nur noch die Haltung übrig geblieben: melancholische Nostalgie und feierlich kultivierte Verzweiflung. Überraschend kommt der Sound von „Fiancé" allerdings nicht, denn nach einer letzten akustischen EP („Trawl") hatte Tullett 2013 bereits Gitarre und Folk-Songwriting beiseite gelegt und als TWYNS mit seiner musikalischen Komplizin Ffion Atkinson, die schon auf „Never Joy" zu hören war, und Calvin Emerson auf Synthesizer und Stimmverzerrung umgeschwenkt.
Tulletts eigenes Debütalbum klingt in „Fiancé"s Eröffnungsstück „Irredeemer" noch dezent an, wirklich auffällig sind hier erst einmal nur die elektronisch verzerrte Stimme und Klänge aus dem Synthesizer, mit dem die Gitarrenmelodie untermalt ist. Im letzten Drittel steigert sich der Song immer weiter, Vocals schichten sich über den Klangteppich und die Gitarrenanschläge. „Malignant" dagegen kehrt den Spieß um, hier ist der Gesang naturbelassen und im Hintergrund flickern hektische Synthies. Drums und infernale elektronische Orgelsounds verpassen dem Song eine ordentliche Portion Opulenz und Dramatik, während Tullett ins Falsett wechselt. Mit Lichteffekten im Takt des Songs und düsterer Handlung ist das dazugehörige Musikvideo die perfekte In-Szene-Setzung der Soundästhetik, die zwischen zurückgenommenen Zwischenpartien und hochtrabendem Refrain changiert.
Diese Anmutung kommt nicht von ungefähr. „Never Joy" nahm Ed Tullett damals einsam und zurückgezogen in seinem Schlafzimmer auf, den Songs wie „Silver Drive", „Thaw", „Teeth" und „Ribboned Blood" hörte man das deutlich an. Es folgte die Single „Oxblood", die so depressiv und sehnsüchtig klang wie sonst nur Active Child, Half Moon Run oder Daughter zu Zeiten ihrer ersten, akustischen EPs. Diese Art kultivierter Singularität und Melancholie ist der rote Faden in Tulletts musikalischem Schaffen und auch auf „Fiancé" maßgeblich.
Anfangs wechseln sich synthetisch intrumentierte und vornehmlich folkfixierte Songs mit schöner Regelmäßigkeit ab. Zwischen „Malignant" und das ruhige, an Tulletts Zeiten mit TWYNS erinnernde „Canyine" schiebt sich „Posturer" mit verträumten Klangwellen und gezupften Gitarrenlinien. Die gelayerte Kopfstimme ist auf das erste Hören mitunter gewöhnungsbedürftig und trifft sicherlich nicht jeden Geschmack, der Stimmung des Albums verpassen die Ausflüge in hohe Lagen aber erst die richtige Nuance Sehnsucht und Seelenschmerz. Bei „Saint" jammert Tullett aber etwas zu sehr, was auch der unruhigen, überladenen Instrumentierung des Songs geschuldet sein dürfte.
Angenehmer sind die reduzierten Songs auf Fiancé, in denen sich Tullett nicht gegen ein Heer aus Tonspuren durchsetzen muss, sondern wie bei „Are You Real" und zu Beginn von „Ply" oder „Kadabre" lediglich ruhig und minimalistisch begleitet wird. Das Verschwinden der Stimme im Sog der Klangschichten ist sicherlich gewollt, aber stilistisch trotzdem gewöhnungsbedürftig. „Fiancé" braucht in jedem Fall mehrere Anläufe, um wirklich zugänglich zu werden. Obwohl auch nach mehrmaligem Hören ein wenig Trauer über die Abkehr vom Indie-Folk bleibt, erschließen sich dabei nach und nach die vielen Details und Nuancen dieser musikalischen Neuerfindung.
Original
Tulletts eigenes Debütalbum klingt in „Fiancé"s Eröffnungsstück „Irredeemer" noch dezent an, wirklich auffällig sind hier erst einmal nur die elektronisch verzerrte Stimme und Klänge aus dem Synthesizer, mit dem die Gitarrenmelodie untermalt ist. Im letzten Drittel steigert sich der Song immer weiter, Vocals schichten sich über den Klangteppich und die Gitarrenanschläge. „Malignant" dagegen kehrt den Spieß um, hier ist der Gesang naturbelassen und im Hintergrund flickern hektische Synthies. Drums und infernale elektronische Orgelsounds verpassen dem Song eine ordentliche Portion Opulenz und Dramatik, während Tullett ins Falsett wechselt. Mit Lichteffekten im Takt des Songs und düsterer Handlung ist das dazugehörige Musikvideo die perfekte In-Szene-Setzung der Soundästhetik, die zwischen zurückgenommenen Zwischenpartien und hochtrabendem Refrain changiert.
Diese Anmutung kommt nicht von ungefähr. „Never Joy" nahm Ed Tullett damals einsam und zurückgezogen in seinem Schlafzimmer auf, den Songs wie „Silver Drive", „Thaw", „Teeth" und „Ribboned Blood" hörte man das deutlich an. Es folgte die Single „Oxblood", die so depressiv und sehnsüchtig klang wie sonst nur Active Child, Half Moon Run oder Daughter zu Zeiten ihrer ersten, akustischen EPs. Diese Art kultivierter Singularität und Melancholie ist der rote Faden in Tulletts musikalischem Schaffen und auch auf „Fiancé" maßgeblich.
Anfangs wechseln sich synthetisch intrumentierte und vornehmlich folkfixierte Songs mit schöner Regelmäßigkeit ab. Zwischen „Malignant" und das ruhige, an Tulletts Zeiten mit TWYNS erinnernde „Canyine" schiebt sich „Posturer" mit verträumten Klangwellen und gezupften Gitarrenlinien. Die gelayerte Kopfstimme ist auf das erste Hören mitunter gewöhnungsbedürftig und trifft sicherlich nicht jeden Geschmack, der Stimmung des Albums verpassen die Ausflüge in hohe Lagen aber erst die richtige Nuance Sehnsucht und Seelenschmerz. Bei „Saint" jammert Tullett aber etwas zu sehr, was auch der unruhigen, überladenen Instrumentierung des Songs geschuldet sein dürfte.
Angenehmer sind die reduzierten Songs auf Fiancé, in denen sich Tullett nicht gegen ein Heer aus Tonspuren durchsetzen muss, sondern wie bei „Are You Real" und zu Beginn von „Ply" oder „Kadabre" lediglich ruhig und minimalistisch begleitet wird. Das Verschwinden der Stimme im Sog der Klangschichten ist sicherlich gewollt, aber stilistisch trotzdem gewöhnungsbedürftig. „Fiancé" braucht in jedem Fall mehrere Anläufe, um wirklich zugänglich zu werden. Obwohl auch nach mehrmaligem Hören ein wenig Trauer über die Abkehr vom Indie-Folk bleibt, erschließen sich dabei nach und nach die vielen Details und Nuancen dieser musikalischen Neuerfindung.