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Als Konrad Adenauer einen BRD-Staatsfunk wollte - und scheiterte | Übermedien

Da war er noch guter Dinge: Kanzler Adenauer und sein Justizminister Fritz Schäffer unterzeichnen den Vertrag der Fernsehen Deutschland GmbH Foto: imago images/ZUMA/Keystone

Es gibt mal wieder heftige Debatten über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. In Sachsen-Anhalt war sich die Koalition aus CDU, SPD und Grünen über die Erhöhung des Rundfunkbeitrags um monatlich 86 Cent derart uneins, dass Ministerpräsident Reiner Haseloff eine Parlamentsabstimmung über die Ratifizierung des Rundfunkstaatsvertrags absagte. Das verhinderte ein Inkrafttreten des Staatsvertrags - und zugleich, dass die Abgeordneten von Haseloffs CDU gemeinsam mit der AfD gegen die Beitragserhöhung stimmten.

Die öffentlich-rechtlichen Sender ziehen deswegen jetzt vor das Bundesverfassungsgericht und können sich gute Chancen ausrechnen.

Ein Argument aus der Magdeburger CDU-Fraktion war dabei, dass die ARD fast nur dann über Sachsen-Anhalt berichte, „wenn irgendein Mob etwas anzündet". Und wie fast immer in einer solchen Gemengelage fiel von rechts außen auch der Begriff des „Staatsfunks" - ein Begriff, den „systemkritische" Demonstrierende genauso gern benutzen wie AfD-Vertreter.

Einer hat es in der Bundesrepublik Deutschland tatsächlich mal versucht mit dem Staatsfunk: Konrad Adenauer. Der erste Kanzler brachte 1960 das bundeseigene Deutschland-Fernsehen auf den Weg. Schon damals musste sich das Bundesverfassungsgericht mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk auseinandersetzen. Und beendete Adenauers Traum vom Staatsfernsehen.

Am 17. Dezember 1960, nur zwei Wochen vor dem geplanten Sendestart, stoppten die Verfassungsrichter das Deutschland-Fernsehen per einstweiliger Anordnung.

Adenauers Medienkritik

Konrad Adenauer war generell nicht zurückhaltend mit Journalismus-Kritik. Aus Briefen ist überliefert, dass er sogar die Berichterstattung CDU-naher Printmedien mehrfach kritisierte. Schon als Kölner Oberbürgermeister zur Zeit der Weimarer Republik hatte er sich vehement gegen seiner Meinung nach falsche Berichte gewehrt. Und als Kanzler störte er sich dann an der Berichterstattung der Rundfunkanstalten der ARD.

Bereits während seiner ersten Legislaturperiode zog er über die Öffentlich-Rechtlichen her: Bei einer Rede auf dem CDU-Parteitag in Karlsruhe 1951 sagte er, „dass bei manchen Rundfunkgesellschaften eine sehr starke einseitige parteipolitische Zusammensetzung besteht", was am Einfluss der Alliierten auf den Rundfunk und ihrer kritischen Einstellung „zum deutschen Parteiwesen" liege.

Besonders „eine der großen Rundfunkgesellschaften" hatte Konrad Adenauer im Verdacht, parteiisch zu sein, womit er wohl den Nordwestdeutschen Rundfunk NWDR meinte. Er habe „über Missstände auf diesem Gebiet sehr lebhaft zu klagen", sagte Adenauer in Karlsruhe. Die Arbeit seiner Bundesregierung werde durch eine teils einseitige Programmgestaltung „beeinträchtigt". Er forderte hier „so schnell und so gründlich wie möglich" einen Wandel.

Der Plan: Fernsehen und Radio in der Hand des Bundes

So schnell ging es dann nicht. Erst acht Jahre später brachte Adenauer einen Rundfunk-Gesetzentwurf im Bundestag ein - ohne vorherige Rücksprache mit den Bundesländern. Dieser sah die Gründung der Sender Deutschlandfunk und Deutsche Welle vor, was die Abgeordneten mehrheitlich unterstützten. Auf Adenauers Plan, eine Bundes-Fernsehanstalt zu gründen, reagierten einige Länder und die Abgeordneten des Bundestags allerdings ablehnend.

Daraufhin gründete Adenauer im Sommer 1960 eigenhändig die vermeintlich private „Deutschland-Fernsehen GmbH". Tatsächlich gehörte die Gesellschaft zu 51 Prozent dem Bund. Die restlichen 49 Prozent der Anteile wurden den Ländern zugesprochen. Adenauer wollte sie als Juniorpartner mit ins Boot holen und sie so von einer Klage in Karlsruhe abhalten.

Doch diese Taktik ging nicht auf: Bremen, Hamburg, Hessen und Niedersachsen, allesamt von der SPD regiert, legten Beschwerde beim Verfassungsgericht ein.

Was ist ein Staatsfunk?

Adenauers Deutschland-Fernsehen wäre reiner Staatsfunk gewesen, so wie heute das chinesische CCTV oder der ungarische Medienkonzern MTVA. Denn als Staatsfunk werden Rundfunkorganisationen bezeichnet, die dem Staat gehören oder zu seinem Herrschaftsbereich zählen. Ein solcher Staatsfunk hat demnach eine Behörde als Vorgesetzte.

Die Hoheit über die Kultur - und damit auch den Rundfunk - lag in Westdeutschland nach dem Krieg bei den Ländern. Das war auf der einen Seite eine der Lehren aus dem Nationalsozialismus. Dezentralisierung als Verhinderung von Regierungspropaganda. Außerdem waren die Länder schlicht früher da als die Bundesrepublik. Rundfunkanstalten waren schon gegründet. Ein paar Pfründe waren schon gesichert - und sollten auch gesichert bleiben.

Was aber nicht bedeutete, dass Landesregierungen Rundfunkanstalten als PR-Sender gestalten konnten. Sie schafften unabhängige Institutionen, die dafür sorgen sollten, dass der Rundfunk staatsfern bliebe. Was wiederum eine Lehre war, die die West-Alliierten den deutschen Politikern mit Nachdruck vermittelten. Sie zwangen sie quasi zum Modell öffentlich-rechtlicher Medien.

Die Kontrollinstanzen, die diese Staatsferne tatsächlich absichern sollten, waren die Rundfunkräte. Später kam unter anderem die 1975 errichtete Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) hinzu, die den Landesparlamenten alle vier Jahre eine Empfehlung zur Höhe des Rundfunkbeitrags vorlegt. Von ihr stammt auch die aktuell diskutierte Erhöhung um 86 Cent. Das alles soll gewährleisten, dass der Rundfunk in Deutschland staatsfern bleibt. Trotz der zum Teil mit Staatsvertretern besetzten Gremien.

Dass die Kompetenz zur Gestaltung des Rundfunks nicht beim Bund liegt, bestätigte auch das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zu Adenauers Deutschland-Fernsehen, das am 28. Februar 1961, gut zwei Monate nach der einstweiligen Anordnung, verkündet wurde. Zwar sei das Fernmeldewesen Aufgabe des Bundes - die staatliche Bundespost regelte die Ausstrahlung der Rundfunkanstalten -, er sei aber eben nur für die technische Übertragung zuständig. Die ausschließliche Kompetenz zur Programmgestaltung hätten die Länder inne. Adenauers Regierung habe durch die Gründung eines Bundes-Fernsehsenders gegen die Rundfunkfreiheit aus Artikel 5 des Grundgesetzes sowie gegen die Bundestreue verstoßen, die Bund und Länder zu gegenseitiger Rücksichtnahme verpflichtet.

Die Folgen des Urteils

Konsequenzen hatte Adenauers Vorstoß dennoch. Denn nur gut drei Monate nach dem Urteil unterzeichneten die Ministerpräsidenten der Länder einen neuen Staatsvertrag zur Gründung des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF). Damit wollten sie einem erneuten Versuch von Bundesseite zuvorkommen, einen Fernsehsender zu gründen. Das ZDF sendete ab 1. April 1963. Ein Jahr später, Adenauer war inzwischen nicht mehr Kanzler, begannen die ARD-Rundfunkanstalten, regionale sogenannte dritte Programme zu installieren, was bis Ende der 60er-Jahre allen Anstalten gelang.

Eine weitere Folge aus dem 1. Rundfunk-Urteil des Verfassungsgerichts ( dem viele weitere folgen sollten) war, dass neben der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern auch das Prinzip der Staatsferne des Rundfunks betont wurde.

Dass ein auf dem Papier staatsfern organisierter Rundfunk auch im 21. Jahrhundert allerdings keine Garantie für tatsächliche Staatsferne darstellt, zeigte vor rund zehn Jahren der Fall Nikolaus Brender. Der frühere ZDF-Chefredakteur hatte für seinen 2010 auslaufenden Vertrag trotz entsprechender Empfehlung des ZDF-Intendanten Markus Schächter vom mehrheitlich mit Unions-Politikern besetzten ZDF-Verwaltungsrat keine Vertragsverlängerung bekommen. Das Gremium wollte Brender schlicht loswerden. Das Vorgehen von Roland Koch, Edmund Stoiber und Co. wurde massiv kritisert. Dennoch musste Brender gehen. Der Verwaltungsrat setzte sich durch.

Mehr Staatsferne nötig und möglich

Als Reaktion darauf entschied das Bundesverfassungsgericht 2014 nach einer Normenkontrollklage der SPD-Landesregierungen von Rheinland-Pfalz und Hamburg, dass der ZDF-Staatsvertrag teilweise verfassungswidrig sei. Das Gericht ordnete an, dass der Verwaltungsrat nur noch zu maximal einem Drittel mit staatsnahen Personen und Politikern besetzt werden dürfe - anders sei die Staatsferne des Rundfunks nicht zu gewährleisten. Das Urteil bezog sich zwar auf den ZDF-Verwaltungsrat, ist aber analog auf andere Rundfunkräte anzuwenden.

Ein Richter meinte gar, dass Regierungsvertreter vollständig aus Fernseh- und Verwaltungsräten ausgeschlossen werden sollten.

Das ist bis heute nicht passiert. Und es bleibt eine offene Flanke für Kritik an den Öffentlich-Rechtlichen ( neben vielen anderen). Ein „Staatsfunk" sind sie dennoch nicht. Das verhinderte allen voran das Bundesverfassungsgericht vor 60 Jahren.

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