Knapp 60 Kilogramm Fleisch werden in Deutschland jedes Jahr pro Kopf konsumiert. Diese Zahl sinkt zwar seit 2018 leicht, das kann aber auch daran liegen, dass immer mehr Menschen ganz auf Fleisch verzichten. Denn nach Schätzungen und Umfragen ernähren sich etwa zehn Prozent der Deutschen vegetarisch. Rund eine Million Menschen im Land leben vegan und verzichten sogar ganz auf tierische Produkte, also Butter oder Käse, aber auch andere Produkte wie etwa bestimmte Lederschuhe. Dass Menschen ihre Ernährungs- und Lebensweise so umstellen, kann viele Gründe haben. Wichtig dabei sind sicher die Umweltaspekte und Folgen der Massentierhaltung, weiß der Professor für Agrarökonomie Matin Qaim von der Uni Göttingen. Wenn man sich allein den Ressourcenverbrauch bei der Fleischproduktion anschaue und dann damit vergleiche, wie viele Ressourcen für vegetarische Lebensmittel eingesetzt werden:
O-Ton 1, Matin Qaim, 28 SekundenNatürlich heißt eine vegetarische Ernährung noch nicht zwangsläufig, dass man sich gesund oder umweltfreundlich ernährt. Denn Avocado oder Bananen etwa müssen über große Distanzen bis nach Deutschland gebracht werden. Und immerhin gibt es auch vegane Schokolade oder Chips. Trotzdem: Die Gesundheitsrisiken von hohem Fleischkonsum seien sehr hoch, meint Leonore Merth von der Grünen Jugend Göttingen. Menschen, die auf Fleisch verzichteten, könnten zum Beispiel ihr Krebsrisiko deutlich senken. Es gebe aber noch viel mehr Gründe für eine vegetarische Lebensweise, meint Merth. Etwa die schon angesprochenen Umweltaspekte sowie ethische Fragen in Bezug auf die Tierhaltung. Die Bedingungen bei der Tierhaltung seien in Deutschland zwar vielleicht ein bisschen besser als in anderen Ländern, so Merth.
O-Ton 2, Leonore Merth, 30 SekundenVon innen haben wohl die wenigsten Menschen je einen Schlachthof gesehen, erst recht, wenn sie in einer Großstadt wohnen. Aber Tierschutzgruppen wie PETA oder animal rights watch sorgen immer wieder für große Aufmerksamkeit, in dem sie Videos aus Massentierhaltungen veröffentlichen und in sozialen Netzwerken teilen. Das, was hinter der gereinigten Putenbrust oder dem lächelnden Gesicht der Bärchenwurst steckt, überrascht und schockiert viele Menschen. Trotzdem fällt es großen Teilen der Bevölkerung schwer, auf tierische Produkte zu verzichten. Dabei müsse auf der Angebotsseite nachgeholfen werden, meint der Agrarökonomie-Professor Matin Qaim. Die Idee, dass öffentliche Kantinen oder Mensen zum Beispiel einen fleischfreien Tag einführen könnten, sieht Qaim positiv.
O-Ton 3, Matin Qaim, 37 SekundenEs gehe also auch darum, Anreize zu schaffen - und nicht bloß mit Verboten zu argumentieren. Wenn also etwa Gerichte wie eine bunte Gemüsepfanne mit geräuchertem Tofu, ein fleischfreier Burger oder vegane Lassagne mit leckerem Salat angeboten werden, könnte es Menschen leichter fallen, immer öfter auf Fleisch und tierische Produkte zu verzichten. Denn: Alternativen dazu gibt es zuhauf. Trotzdem empörten sich viele Menschen, als die Grünen sich zur Bundestagswahl 2013 für vegetarische Tage in Mensen und Kantinen aussprachen. Die Bild-Zeitung behauptete in großen Lettern auf der Titelseite: "Die Grünen wollen uns das Fleisch verbieten!" Nach der Wahl verschwand die Forderung von der Agenda der Grünen, damit sie nicht weiter als Verbotspartei angesehen werde. Die Grüne Jugend Göttingen steht aber weiterhin zu dem Vorschlag, in Kantinen und Mensen fleischfreie Tage einzuführen. Leonore Merth hat kein Verständnis für die pauschale Kritik an der Reduktion von Fleischkonsum. Sie meint, man müsste die Argumentation eher umdrehen: Stattdessen sollten die Menschen erklären, warum denn überhaupt immer so viel Fleisch angeboten werden müsse.
O-Ton 4, Leonore Merth, 34 SekundenFür vegetarische und vegane Lebensweisen sprechen aus Sicht der Grünen Jugend also viele Argumente. Und auch Professor Matin Qaim isst zu Hause mit seiner Familie nur wenig Fleisch, etwa ein Mal pro Woche. Diese Reduktion vom Fleischkonsum, ohne komplett auf Fleisch zu verzichten, wird Flexitarismus genannt. So ein flexibler Vegetarismus wäre womöglich für viele Menschen ein potenzieller Einstieg in eine vegetarischere Lebensweise. Denn die möglichen Alternativen werden immer zahlreicher. Und vielleicht lässt sich über Flexitarismus auch etwas für Umwelt, Gesundheit und Ethik tun. Frei nach dem Motto: Zwei halbe Vegetarier ergeben einen ganzen.