Jetzt ist also wieder Lockdown. Man hat sich ja fast dran gewöhnt, mit Freundinnen auf einen Kaffee zu gehen, zum Abendessen, ins Kino, aufs Plaudern in der Mittagspause. Oder daran, die Oma zu besuchen. Jetzt hätten wir uns fast wieder gewöhnt an das „normale" Leben, das mit anderen Menschen. Jetzt werden wir wieder auf uns selbst zurückgeworfen. In die Einsamkeit. In die vier Wände mit gewalttätigen Partnern, mit fordernden Kindern, oder mit uns alleine, mit den Depressionen, den Ängsten, den Sorgen. Jetzt ist also wieder Lockdown. Und wir sollen in unserer Freizeit die Kontakte reduzieren, während wir weiterhin dicht gedrängt mit der U-Bahn ins Großraumbüro fahren. Arbeiten, Kirche gehen, Skifahren. Alles Wichtige ist uns weiter erlaubt.
Jetzt ist also wieder Lockdown und die, die nicht mit der U-Bahn ins Büro fahren oder in die Intensivstation, um unter Hochdruck Covid-Patient:innen, die sich nicht präventiv impfen lassen wollten, ans Beatmungsgerät anzuschließen, machen Zoomkonferenzen statt Kaffeepause, WhatsApp-Nachrichten statt Tratscherl mit der Kollegin. Jetzt verschieben wir unser Leben wieder ins Digitale, wo wir keine Menschen sind, sondern Avatare, Gesichter hinter Bildschirmen.
„... haben sie im ersten Lockdown gesagt"Achten Sie darauf, dass Sie sich eine Routine zulegen, wenn Sie im Homeoffice arbeiten, haben sie im ersten Lockdown gesagt. Es ist wichtig, dass Sie einen strukturierten Tagesablauf haben, stehen Sie immer zur selben Zeit auf, gehen Sie dann eine Runde. Wichtig ist auch, dass Sie sich für ihre Arbeit anziehen, nicht im Pyjama rumgammeln, nein, rein in die Jeans und die Bluse, ab zum Schreibtisch. Wenn ein Schreibtisch vorhanden ist. Mitunter tut es auch der Küchentisch, auf dem die drei Kinder nebenbei Betreuung bei den Schulaufgaben benötigen.
Jetzt ist also wieder Lockdown und es ist mittlerweile Routine, aber dennoch zu viel. Zu viel auch, weil es verhinderbar gewesen wäre. Wie nennt man Menschen, die den gleichen Fehler fünfmal machen? Die Stimmung ist anders als in den Lockdowns davor, er geht nicht mehr mit Schock einher, sondern mit Wut: Wut ob der fehlenden Solidarität der immer anderen, Wut auf politische Verantwortungsträger:innen. 12.388 Menschen sind an Corona verstorben. Unbekannt: die Zahl jener, die ihre Lieben verloren haben, die Zahl an zerbrochenen Beziehungen und Freundschaften, die Zahl jener, die an den Spätfolgen der Infektion leiden, die Zahl derer, die ihre Arbeit verloren haben, in die Armut gerutscht sind, obdachlos wurden, mit gewalttätigen Partnern eingesperrt worden sind bereits fünfmal. 50 Prozent der jungen Erwachsenen haben depressive Symptome, die Zahl schwerer Depressionen hat sich verzehnfacht. Ängste, Schlafstörungen, Alkoholmissbrauch. 12.388 Menschen sind an Corona verstorben, niemand von uns wird es unbeschadet überstehen.
Lockdown-MüdigkeitUnd jetzt ist also wieder Lockdown. Und ich könnte all das, was ich in dieser Kolumne seit ihren Anfängen geschrieben habe, in der gleichen Endlosschleife wiederholen, wie sich die Lockdowns wiederholen. Ich kann sagen, was ich immer sage: Es braucht mehr Psychotherapie-Kassenplätze, es braucht sogar ein Ende der Kontingente. Mit jedem Lockdown werden die psychisch Kranken mehr und schon vor dem ersten gab es von ihnen mehr als verfügbare Kassenplätze. Ich könnte wieder sagen, was ich immer sage: Dass genau jetzt investiert werden muss in die psychische Gesundheitsversorgung, weil uns sonst in ein paar Jahren oder Monaten alles auf den Kopf fällt. Weil die Kosten nicht kleiner werden, wenn man Menschen Therapie verweigert, sondern größer - auf der anderen Seite produziert man nämlich Krankenhausaufenthalte, Arbeitsunfähigkeit, Arbeitslosigkeit, Frühpension.
Und weil es gerade nicht einfach ist:All das könnte ich - wieder - sagen. Aber ich bin auch müde geworden in den letzten zwei Jahren. Ich bin müde und ich möchte mich nicht endlos wiederholen.
Telefonseelsorge: 142 Rat auf Draht: 147 Notfallpsychiatrischer Dienst: 0699 18855400 Beratungshotline Psychotherapieverband: 0512561734
Psychiatrischer Notdienst Wien: 0131330 Krisentinterventionszentrum Wien: 014069595 Corona Sorgenhotline: 01 4000 53000 Krisenhilfe Oberösterreich: 07322177 Niederösterreichisches Krisentelefon: 0800202016 Krisenhotline Salzburg: 0662 433351 Psychosozialer Krisendienst Tirol: 0800 400 120 Psychiatrische Notrufnummer Kärnten Ost: 0664 3007007 Psychiatrische Notrufnummer Kärnten West: 06643009003 Notrufnummer der Universitätsklinik für Psychiatrie Innsbruck: 050504 Sorgentelefon Steiermark: 0800221440
Ent-störungsbericht: Psychoedukation an die Schulen