MAINZ. Steigenberger, Kempinski, Relais & Châteaux - es sind nicht die schlechtesten Namen der Branche, die derzeit in Rheinhessen kursieren, wenn es um den Bau neuer Hotels geht. Es ist einiges in Bewegung in der Weinregion zwischen Mainz, Bingen und Worms. Aus gutem Grund. Rheinhessen boomt und verzeichnet kontinuierlich steigende Gästezahlen. In ein paar Jahren wollen die Wein- und Touristikmacher den Landstrich zur Weinerlebnisregion Nummer eins in Deutschland entwickelt haben. Eine gewaltige Aufgabe, denn traditionell ist Rheinhessen eigentlich keine Tourismusregion. Da gilt es zunächst viel Überzeugungsarbeit zu leisten.
Grundlage für die ehrgeizigen Pläne sind unter anderem die Erfolge der jungen und mittlerweile auch nicht mehr ganz so jungen Winzergeneration, die Jahr für Jahr neue Talente und vor allem hervorragende Weine herausbringt. Dazu gibt es ein gut ausgebautes Netz an Rad- und Wanderwegen, die viel Platz für allerlei sportliche Betätigungen bieten. Was fehlt sind aber Zimmer, zumindest in der Hauptsaison von Juli bis Oktober.
Neue Zielgruppen im FokusDabei befindet sich Rheinhessen im permanenten Spannungsfeld, sagt Cheftouristiker Christian Halbig (Rheinhessen-Touristik) der AHGZ: „Einerseits sind selbst die bestehenden Kapazitäten in der Nebensaison. zu wenig ausgelastet. Andererseits bedarf es in Rheinhessen neuer wettbewerbsfähiger Angebote, will man in der häufig ausgebuchten Hauptsaison in den ländlichen Gebieten noch mehr Nachfrage generieren und neue Zielgruppen erreichen." Erforderlich seien insbesondere Häuser mittlerer Größe im 3- bis 4-Sterne-Bereich, die auch größere Gruppen unterbringen können.
In den 25.000-Einwohner-Städten Bingen und Ingelheim könnte dieser Bedarf bald gedeckt werden. Zum Beispiel bemüht sich die J. Molitor Immobilien GmbH derzeit um Baurecht für ein 110-Betten-Haus im Ingelheimer Zentrum, wie Geschäftsführerin Tina Badrot mitteilte. Ein kleineres Hotel eines anderen Investors im Stadtteil Ober-Ingelheim lehnten die Bürger gerade ab.
In der Nachbarstadt Bingen wird ebenfalls geplant. Ein Bebauungsplanverfahren für ein Gelände am Rhein läuft, dort soll die dort eigentlich erlaubte Gebäudehöhe von 13 Metern auf 18 Meter erweitert werden, um einen wirtschaftlich zu betreibenden Hotelneubau realisieren zu können. Im Gespräch als Betreiber sind hier namhafte Firmen: Steigenberger, Kempinski, Relais & Châteaux. Und dann ist da noch das Kloster der Kreuzschwestern. Der Konvent auf dem Rochusberg mit Traumblick auf den Rhein baut gerade um, hier wird es demnächst 26 Hotelzimmer geben.
Aber auch in anderen Ecken der Region wird eröffnet, gebaut und geplant: In Alzey öffnete gerade das Weinhotel Kaisergarten (47 Betten), in Flonheim das Weingut Mayerhof ein Gästehaus mit zehn Zimmern. Das Landhotel Strubel-Roos in Flonheim will um neun Zimmer erweitern. In der Landeshauptstadt Mainz mit seinem ohnehin schon großen Angebot an Betten, stehen Überlegungen für ein Schlosshotel an.
Etwas größer wird auch in Mommenheim auf dem Gelände der dortigen Golfanlage geplant, ein Hotel mit bis zu 130 Zimmern ist dort erlaubt. Mit einem Bauträger und der Hilton-Kette war sich Ideengeber Rainer Becker schon fast einig. Aber die Pläne sind vorerst geplatzt. „Wir suchen nun nach neuen Partnern", sagte Becker, der als Weingutsbesitzer neben den Golfern auch unter Weintouristen potenzielle Kundschaft sieht.
Auf dem Weg zur führenden Weinerlebnisregion soll ein interessantes Projekt realisiert werden: Die Weinerlebniswelt Rheinhessen. Im Winzerdorf Sprendlingen soll dem Publikum damit in einer Art Museum die Region und der Wein näher gebracht werden. Dazu gehören sollen auch zwei Hotels für die verschiedenen Bedürfnisse und Geldbeutel - von Schulklasse bis Luxusklasse. Zudem soll das Kulinarische Institut Deutschlands gegründet werden, das unter anderem Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten für Profiköche bieten will. „Aktuell sind wir dabei, über ein Beratungsunternehmen einen Investor zu finden", sagte Mafred Scherer, Bürgermeister der VG Sprendlingen-Gensingen und 1. Vorsitzender des Freundeskreises. Das Projekt werde aus EU-Leader-Mitteln gefördert.
Wachsende Gäste- und Übernachtungszahlen, Ausbau der Kapazitäten bei den Gästebetten, ehrgeizigen Pläne für die Zukunft - das alles passt zur Grundstimmung in der Region, die 2016 ihr 200-jähriges Bestehen groß feiern will - mit vielen Veranstaltungen an allen Ecken und Enden. So nahm die Anzahl der Betriebe mit 10 und mehr Betten von 2003 bis 2013 um 14 Betriebe zu, jetzt sind es 202, sagte Touristiker Halbig. Die Anzahl der Betten stieg im gleichen Zeitraum von 9999 auf 11369. Nicht eingerechnet sind dabei die vielen Betriebe in Rheinhessen, die weniger als 10 Betten verfügen. „Nach Erhebungen der Rheinhessen-Touristik sind dies noch einmal 156 Betriebe und 684 Betten", sagt Halbig.