König Gradlon der Große war einst der König der Cornouaille in der Bretagne. Er war der Sohn von Conan Mériadec, dem ersten König von Armorica und ein berühmter siegreicher Krieger und besaß unendliche Reichtümer.
Nachdem König Gradlon die wunderschöne Malgven aus dem Norden geheiratet hatte, gebar ihm diese die Tochter Dahut, starb aber selbst bei der Geburt. Die Tochter wuchs zu einer noch schöneren Frau heran, als ihre Mutter es gewesen war. Gradlon liebte sie mehr als sein eigenes Leben. Da seine Tochter das Meer über alles liebte, ließ er ihr sogar eine Stadt direkt am Meer bauen. Die prächtigste Stadt, die die Welt je gesehen hatte, mit Dächern aus purem Gold und einer prachtvollen Kathedrale.
Mächtige, haushohe Mauern umgaben diesen Ort und schützen das kleine Reich vor dem gewaltigen Meer. Es gab nur ein einziges großes Tor, zu dem der König alleine den Schlüssel besaß. König Gradlon war ein weiser, allseits beliebter König, mit einem wichtigen Berater, Guénolé genannt. Dahut aber war zur selbstverliebten und gierigen Frau geworden. Ihr Vater sah es nicht, für ihn war sie ein einziges Strahlen. Er machte sie sogar zur Königin und übergab ihr den einzigen Schlüssel zum Tor.
Dahut hatte viele Verehrer, aber nie war ihr ein Mann gut genug, bis sie eines Tages auf einem Ball einem jungen Prinzen begegnete, den sie unbedingt haben wollte, weil er der schönste Mann auf Erden war. Jetzt war sie Königin, besaß die ganze Macht im Reich, nannte zahllose Reichtümer ihr Eigen und besaß auch noch die Liebe. Der Prinz aber wollte ein Zeichen ihrer Hingabe. Deswegen überließ sie ihm in einer Vollmondnacht den einzigen Schlüssel zum Tor der Stadt. Der Prinz aber war der Teufel selbst. In der Nacht noch verwandelte er sich zurück in seine dämonische Gestalt und öffnete mit dem Schlüssel das große Tor. Innerhalb kürzester Zeit versank die gesamte Stadt im Atlantik, und mit ihr alle Einwohner.
Der alte König Gradlon und sein Berater retteten sich gerade noch auf den höchsten Turm des Schlosses. Plötzlich tauchten zwei Pferde aus dem Meer auf und brachten Gradlon und Guénolé ans sichere Ufer. Der König rief unermüdlich nach seiner Tochter Dahut. Nur einmal noch konnte er sie kurz auf einem Wellenrücken sehen. ‚Es ist meine Schuld. Ich bin verflucht!' rief sie ihrem Vater zu. Dann tauchte sie ab, mit vollem Bewusstsein. Den Ort Poul Dahut, in dem Dahut verschwand, gibt es heute noch, im Osten von Douarnenez.
Man sagt, die Beine von Dahut hätten sich in einen Fischschwanz verwandelt und sie sei zu einer Sirene geworden. Sie schwimme nach wie vor in ihrer untergegangenen Stadt umher, auf dem Meeresgrund der Bucht, wo sie seitdem lebe. Sie könnte nur erlöst werden, wenn für sie in der untergegangenen Kathedrale auf dem Meeresboden eine Messe gelesen werden würde.
König Gradlon und seine Tochter - Märchen aus der Bretagne