Astrid Wunsch

Designer, Writer, Speaker / Berlin

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E-Commerce muss weiblicher werden

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Männliches und weibliches Einkaufsverhalten

Co-Autor Julia Saswito, Geschäftsführerin Triplesense Reply

Individualisierung ist einer der Megatrends 2015, die das renommierte Zukunftsinstitut in Frankfurt prognostiziert. Konsumenten erwarten heute, dass sie individuell angesprochen werden - auch in Onlineshops. Diese bieten ihren potenziellen Käufern meist schon personalisierte Inhalte oder Angebote. Um die seit kurzem vieldiskutierte und heiß umworbene Zielgruppe Frauen als Käuferinnen zu überzeugen, reicht das aber nicht aus.

In Zukunft werden solche Shops gewinnen, die bewusst auf die unterschiedlichen Vorlieben von Männern und Frauen eingehen. Und die bereit sind, sich wirklich auf das weibliche Kaufverhalten einzulassen und Frauen entsprechend im Kaufprozess zu begleiten.

Zwar gibt es nicht die typische Frau und den typischen Mann - aber doch klare Tendenzen zu bestimmten Verhaltensweisen: Anders als für Männer ist Shopping für Frauen nicht das Abarbeiten einer Einkaufsliste, sondern ein emotionales Erlebnis. Frauen lassen sich inspirieren und wollen stöbern: Das gilt im stationären Geschäft genauso wie beim digitalen Einkauf.

Gleich wo, Frauen suchen die perfekte Lösung und verschaffen sich einen umfassenden Überblick über das Angebot. Sie sammeln dafür Produkte im Warenkorb - und entscheiden sich erst dann zum Kauf. Zudem kann es vorkommen, dass eine Onlineshopperin mitten im Einkauf ihre ursprünglichen Auswahlkriterien verändert oder ergänzt und dreht bei ihrem vielschichtigen Kaufentscheidungsprozess eine Extraschleife.

Dieses komplexe Einkaufsverhalten hat auch soziale Gründe: Frauen kaufen häufig für die Familie oder Freunde ein und legen großen Wert auf deren Meinung.

Der ideale Shop und die perfekte Produktpräsentation

Männliche Onlineshopper gehen hingegen grundsätzlich anders vor als Frauen: Sie kaufen ein, wenn sie ein konkretes Bedürfnis haben und sind dann mit einer „guten Lösung" zufrieden. Ihr Entscheidungsprozess ist linear, da sie sich Schritt für Schritt über Produktkategorien und Preissuchmaschinen ihrem Ziel annähern. Der Nutzer weiß bereits, was er will, bestellt das ausgewählte Produkt und freut sich auf die Lieferung. Für ihn ist der Online-Einkauf ideal.

Die Mehrzahl der Shops ist heute für männliche Kunden und ihr Such- und Kaufentscheidungsverhalten optimiert: Das zeigt sich auch darin, dass Retourenraten bei Frauen so viel höher sind als bei Männern.

Dabei schreckt es männliche Interessenten keineswegs ab, wenn ein Shop auf die weiblichen Bedürfnisse ausgerichtet ist. Im Gegenteil: Männer profitieren ebenso wie Frauen davon, wenn beispielsweise die Funktionsweise von Produkten anschaulich dargestellt wird, anstatt Daten aufzuzählen.

Shops bedienen das Kaufverhalten von Männern

Der ideale Online-Shop, der es schafft, den Ansprüchen von Männern und Frauen gleichermaßen gerecht zu werden, muss vor allem zwei Faktoren berücksichtigen: Er sollte mehr auf den Stöber- und Inspirationsgedanken eingehen, statt die gesamte Produktpalette listenartig aneinanderzureihen. Und er sollte die Produkte in Aktion und im Kontext zeigen. Das ist vor allem für die weibliche Zielgruppe wichtig, die sich für den konkreten Nutzen eines Produkts interessiert.

Dieser Nutzen lässt sich leicht vermitteln, indem man beispielsweise zeigt, wie viele Getränkekisten in einen Kofferraum passen, was Gerät x im Detail kann und wie groß die Handtasche im Vergleich zu einem DIN-A-4 Heft ist. Statt freigestellter Bilder von Hosen oder Röcken können Shopbetreiber beispielsweise das Produkt an einem Model darstellen, Beispiele für Modestyles und Kombinationsmöglichkeiten geben sowie eine Teil-Funktion für Pinterest oder Facebook bieten.

Speziell für Nutzerinnen wird ein Produkt noch interessanter durch Geschichten, Bewertungen und Userkommentare - insbesondere wenn andere Frauen diese Tipps oder Empfehlungen aussprechen. Dies bestärkt die weibliche Kaufentscheidung. Bestenfalls stimmen das Bild des Produkts im Web und das reale Produkt überein und die Retouren gehen zurück - bei Frauen und Männern.

Erste Ansätze für ‚weiblichere' Shops gibt es bereits, aber dennoch orientieren sich die meisten Shops an Männern. Das liegt daran, dass viele Shopsysteme auf einer Software basieren und Shops daher ähnlich aufgebaut sind. Zudem werden viele Shops hauptsächlich von Männern konzipiert, da diese die Internetbranche stark prägen: 86 Prozent Männern stehen nur knapp 14 Prozent Frauen in der Branche gegenüber.

Und dieses Verhältnis wird sich keinesfalls verbessern: Der aktuelle Trend zeigt, dass der Anteil der Frauen im Digitalbereich eher sinkt als steigt. Dabei wäre es wünschenswert, dass mehr Frauen in IT-Berufe einsteigen: Sie können sie dazu beitragen, das Internet für alle Zielgruppen zu optimieren - für Frauen und für Männer. Die zielgerichtete Ansprache sollte im Fokus stehen, unabhängig davon, wer den Shop konzipiert und gestaltet.

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