Der Tag hat gerade eben erst so richtig begonnen, doch zwischen den Lavendelpflanzen herrscht bereits reges Treiben. Schon seit fünf Uhr früh rutschen vier Erntehelfer und der Chef der Cooperative Agronatura im Piemont, Piercarlo Dappino, auf Knieen durch dielila blühenden Reihen. Eine mühsame Arbeit, denn die untergelegten Pappen und Gummimatten schützen kaum vor dem steinigen, trockenen Boden. Jetzt, um zehn Uhr, geht kein Lüftchen mehr und die Sonne brennt von einem wolkenlosen Himmel.
Handarbeit für Bio-QualitätMit Händen, Harken und Sicheln reißen oder schneiden die Männer alles heraus, was kein Lavendel ist. Dabei müssen sie immer auf der Hut sein: Tausende von Bienen, Hummeln und bunten Schmetterlingen umschwirren die betörend duftenden Blüten auf Nektarsuche.
Noch anstrengender gestaltet sich die Arbeit auf den Feldern mit der römischen Kamille, die jetzt, Anfang Juli, ungewöhnlich früh in Blüte steht. Die Erntehelfer kriechen zwischen den Pflanzen umher und zupfen mit den Fingern Gräser und Halme zwischen den winzigen Pflänzchen heraus.
Im konventionellen Anbau ersetzen Pestizide die strapaziöse Handarbeit. Doch genau diese Art von Qualität, die schon beim Anbau der Pflanzen beginnt, unterscheidet die Bio-Öle von konventionellen Produkten. Giftrückstände haben in naturreinen ätherischen Ölen, wie sie Primavera für die Kosmetik und Aromatherapie braucht, nichts zu suchen.
Gegen 11 Uhr, als der Schweiß in Strömen fließt, ist erst einmal Schluss mit der Plackerei. Die Arbeiter lassen sich im Schatten einer Hecke auf Decken nieder und breiten ihr Essen aus: Wasser, Brot, Tomaten und vom Maulbeerbaum ganz in der Nähe eine Handvoll reifer Früchte. Derweil kann die Sonne an den Hängen des Piemonter Berglandes für ein paar Stunden alleine die Qualitätsarbeit übernehmen. Denn je höher die Temperaturen klettern, umso mehr wirkstoffreiches ätherisches Öl produzieren die angebauten mediterranen Duftpflanzen.
Für Piercarlo fällt die Pause aus, er braust mit seinem Geländewagen über die schmalen Landstraßen schon zum nächsten Lavendelfeld, wo morgen geerntet werden soll.
Der schlanke, hochgewachsene Piemonteser ist in der norditalienischen Region geboren und aufgewachsen. Sanfte Hügel mit idyllischer Natur wellen sich hier bis zum Horizont, dazwischen einzelne Gehöfte und romantische, kleine Bergdörfer. Besucher können sich nicht daran sattsehen. Für die Einheimischen gibt es hier nur zwei Möglichkeiten: Auf den Feldern schuften oder in die Großstadt ziehen, wo es gut bezahlte Bürojobs gibt und das Leben komfortabler ist.
Langfristige PerspektiveDoch Piercarlo wollte nicht weg und gründete 1986 mit neun Landwirten die Cooperative Agronatura, um den traditionellen Lavendelanbau in der Region wieder zu beleben. Der junge Bauer knüpfte Kontakte, besuchte Messen und erfuhr so von der Firma Primavera im Allgäu, die ätherische Öle sucht.Nicht lange nach seinem Anruf dort kam Besuch: Ute Leube und Kurt Nübling, die ihre Firma erst kürzlich gegründet hatten, ließen sich die Felder und den Anbau zeigen und boten der Kooperative einen Vertrag mit langfristiger Perspektive an. Denn die Bio-Pioniere aus Deutschland wollten keine Rohstoffe auf dem anonymen Weltmarkt kaufen. Sie suchten weltweit verlässliche Anbaupartner, die für ihr Unternehmen gegen faire Bezahlunghochwertige Rohstoffe erzeugen.
Primaverastellte den italienischen Bauern damals eine Bedingung, die bis heute für alle Projekte des Unternehmens gilt: Der Anbau sollte auf Bioflächen stattfinden, deren Zertifizierung von Beratern des Mutterunternehmens begleitet wird.
1989 lieferte die Kooperative das erste Demeter- Lavendelöl ins Allgäu, weitere Aromaöle kamen mit den Jahren hinzu. Heute bewirtschaften rund 50 Bauern aus dem Piemont circa 400 Hektar Ackerfläche nach Demeter-Richtlinien. Auf den Feldern wachsen neben Lavendel zahlreiche weitere Duftpflanzen, darunter Fenchel, Immortelle, Majoran, Melisse, Muskatellersalbei, Pfefferminze, Damaszener Rosen, Rosmarin, Salbei oder Ysop, die die Initiative weiteren Kunden anbietet.
Weniger Unkraut - besseres ÖlWie in jeder langen Partnerschaft gab es auch Belastungsproben. Am Anfang kam es vor, dass Primavera ein Öl mangels Qualität zurückschickte, weil mit den Duftpflanzen zu viel Unkraut in die Destille gelangt war. „Das verfälscht die Inhaltsstoffe und darf bei einem naturreinen Öl nicht sein", sagt Piercarlo. Das Wort „pulire" - putzen fällt daher ständig, wenn er sich mit den Bauern unterhält. Inzwischen haben sie die hohen Qualitätsanforderungen verinnerlicht. Denn wenn es sein muss, schickt Piercarlo ganze Traktorladungen mit Duftpflanzen konsequent zurück.
Vom Feld in die FlascheAn dem betörend duftenden Berg aus saftig grünen Stängeln und lila Lavendelähren, der jetzt vor den Edelstahltanks der Destille auf seine Weiterverarbeitung wartet, gibt es allerdings nichts auszusetzen. Die Destille gehört zu einem Gebäudekomplex, den die Kooperative vor 20 Jahren in der verschlafenen Ortschaft Bergagiolo bei Spigno Monferrato errichtete. Die verbindlichen Abnahmeverträge mit Bio-Hersteller Primavera boten den Banken die notwendigen Sicherheiten für ihre Kredite. So brachte die Kooperative Arbeit in den verschlafenen Ort. Zeitweise sind hier bis zu 20 Menschen beschäftigt.
Jetzt schaufeln mehrere Männer die Duftpflanzen mit Heugabeln in ein etwa zwei Meter tief im Boden versenktes Edelstahlbehältnis. Mit Maschinenkraft wird das tonnenschwer zusammengepresstegrün-lila Pflanzenmaterial an Ketten in einen zweiten Behälter gehoben. Alessandro, der Vorarbeiter, schließt sorgfältig den Deckel und lässt circa 100 Grad heißen Wasserdampf durch die Pflanzen strömen. Es zischt und brummt, man versteht sein eigenes Wort nicht mehr. Etwa eineinhalb Stunden dauert der Vorgang. Der heiße Dampf löst das ätherische Öl aus den Pflanzenzellen und nimmt es mit nach oben, wo er sich am kühlen Metall des Deckels niederschlägt und über ein Rohr abfließt. Am Ende sammelt sich das Kondensat in einem Gefäß, wo sich das goldfarbene ätherische Lavendelöl vom Wasser absetzt: die wertvolle Essenz sorgfältiger Arbeit.
Die Lavendelreste dagegen werden als zukünftiger Dünger im Produktionskreislauf für neues Leben sorgen - fast ein bisschen wie eine erfolgreiche Geschäftspartnerschaft.
SteckbriefNAME: Primavera Life GEGRÜNDET: 1986 im Allgäu,Gründer und Eigentümer Ute Leube und Kurt Ludwig Nübling, Geschäftsführer: Titus Kaufmann SITZ : Oy-Mittelberg im Allgäu, Deutschland MITARBEITER: 200 FESTE PARTNERSCHAFTEN: mit 12 Kleinbauern-Kooperativen weltweit PRODUKTEca. 700 Produkte aus den Sortimenten Aromatherapie und Bio- & Naturkosmetik. Naturkosmetik und Öle sind Natruezertifiziert. HOMEPAGE: www.primaveralife.com