Emma Morano ist die älteste lebende Frau der Welt und die letzte, die noch im 19. Jahrhundert geboren wurde. In ihrer Heimatstadt Verbania am Lago Maggiore feiert sie diese Woche ihren 117. Geburtstag.

„Mir geht es sehr gut", sagt sie bei unserem Besuch vor wenigen Tagen, „aber meine Beine sind schwach." Am 29. November 1899 erblickte Morano im Königreich Italien unter Umberto I. das Licht der Welt. Sie erlebte drei Jahrhunderte und elf Päpste.

In ihrem Geburtsjahr wurde in Italien Fiat gegründet, in Deutschland begann die Opel-Produktion. Queens und Staten Island wurden New Yorker Stadtteile, das Deutsche Kaiserreich teilte sich mit den Vereinigten Staaten im Samoavertrag die Samoainseln und in Südafrika brach der Zweite Burenkrieg aus.

Morano ist Zeitzeugin zweier Weltkriege, des Faschismus und der Gründung der Italienischen Republik. Als am 10. März 1946 in Italien erstmals Frauen wählen durften, war Emma bereits 46 Jahre alt. 1969, im Jahr als Neil Armstrong als erster Mensch den Mond betrat, wurde sie 70. Verbania widmet ihr zu ihrem Ehrentag ein Musical, in dem die Geschichte Italiens parallel zu den wichtigsten Ereignissen ihres Lebens erzählt wird.

Seit dem 14. August 2015 ist Morano die älteste Person, die je in Italien geboren wurde. Davor war es die Italoamerikanerin Dina Manfredini, geboren 1897 in der Emilia-Romagna, gestorben 2012 in Iowa. Seit dem 12. Mai 2016 ist Emma der älteste lebende Mensch der Welt.

Als erstes von acht Kindern erblickte sie 1899 in Civiasco (Provinz Vercelli) das Licht der Welt. Als junges Mädchen tanzte und sang sie gerne; noch heute liebt sie Musik. Nicht immer meinte das Leben es gut mit ihr. Moranos Verlobter wurde im ersten Weltkrieg an die Front gerufen; das war das Ende ihrer großen Liebe.

Die beiden sahen sich nie wieder. Es folgte eine unglückliche Ehe mit einem gewalttätigen Ehemann. 1938, nach dem frühen Tod ihres einzigen Kindes, fasste Morano einen mutigen Entschluss: Sie trennte sich von ihrem Gatten. Damals war eine Scheidung in Italien nicht möglich und selbst eine Trennung war ein Skandal. Selbst sagt sie, dass sie ihr hohes Alter wohl auch ihrem langen Singledasein zu verdanken hat. Morano wollte sich, wie sie sagt, nie wieder von einem Mann herumkommandieren lassen und fortan selbstbestimmt leben. Sie arbeitete erst in einer Jutefabrik, später in der Küche des Collegio „Santa Maria".

Internationale Forscher interessieren sich für das Geheimnis ihres langen Lebens: 2011 wurde ihre DNA von der Harvard Medical School in Boston untersucht. Morano verfügt über ungewöhnlich gute Gene, denn auch ihre Schwester Angela wurde 102 Jahre alt, ihre Mutter, eine Tante und weitere Geschwister über 90.

Auch Emmas Optimismus hat wohl einen großen Teil zu ihrem ungewöhnlich langen Leben beigetragen. Als junge Frau litt sie unter Blutarmut und bekam von ihrem damaligen Arzt den Tipp, wegen des milden Klimas an den Lago Maggiore zu ziehen. Er verschrieb ihr eine Diät von täglich drei rohen Eiern. An diesen Ratschlag aus ihrer Jugend hielt sie sich ein Leben lang, erst seit kurzem hat sie ihre Ration auf zwei Eier pro Tag reduziert.