Astrid Diepes

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Die Sehnsucht der Kraniche nach dem Süden


Von den Vögeln des Glücks, Trompetenmusik und goldenen Stoppelfeldern
Text  und Fotos: 
Astrid Diepes
21. September 2016

Die Semesterferien gehen dem Ende entgegen, und bevor das Studium wieder losgeht, willst Du Dir nochmal frischen Wind um die Nase wehen lassen? Auf der schmalen Halbinsel Fischland-Darß-Zingst, die sich 45 Kilometer lang von Dierhagen bis nach Zingst erstreckt, bietet sich jetzt im Herbst ein besonderes Naturschauspiel: Von September bis Anfang November rasten hier insgesamt 100.000 Kraniche. Studierende, die sich intensiv mit diesen Tieren beschäftigen wollen, können in Zusammenarbeit mit dem Kranich-Informationszentrum in Groß Mohrdorf ihre Studien- oder Abschlussarbeit schreiben.

Kranichschwarm vor Sonnenuntergang auf dem Weg in die Schlafgebiete (Bild: Astrid Diepes)

Wenn uns ihr frohes Trompetenlied aus den Lüften entgegenschallt, wissen wir: Der Herbst ist da. Die Kraniche futtern sich im Moment in der Bock-Rügen-Kirr-Region im Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft Energiereserven an. Denn von ihren Sommerbrutgebieten, die in Skandinavien zu finden sind, fliegen sie in wenigen Wochen wieder in ihre Winterquartiere in Südfrankreich und in der Extremadura im Südwesten Spaniens. Die vielfältigen Nahrungsräume mit goldgelben, abgeernteten Stoppelfeldern sind ein wahres Schlaraffenland für die majestätischen Vögel. Zwischen Ostsee und Bodden finden die Allesfresser hier übriggebliebene Mais- und Getreidekörner, Mäuse und Frösche. Häufig füttern Naturschützer zusätzlich. Die Kraniche dürfen nicht gestört und aufgeschreckt werden, weil sie bei jedem unnötigen Auffliegen einen Teil ihrer dringend benötigten Fettreserven verlieren. Die majestätischen Tiere sind als Vorboten der Sonne, der Wärme und des Frühlings als „Vögel des Glücks“ bekannt. Wenn sie allabendlich in der typischen V-Formation von den Futterplätzen zu ihren ruhigen Schlafplätzen fliegen, genießen zahlreiche Hobby-Ornithologen dieses einmalige Naturschauspiel.

Drei Kraniche auf Futtersuche (Bild: Astrid Diepes)

Ihr habt Lust auf mehr? Beim Kranich-Informationszentrum in Groß Mohrdorf knapp 15 Kilometer nordwestlich von Stralsund arbeiten im Frühjahr und Herbst regelmäßig Praktikant/innen und ehrenamtliche Kranich-Ranger/innen. Mindestens vier Wochen lang unterstützen sie die festen Mitarbeiter/innen vor Ort. Studierende, die eine Studienarbeit oder ihre Abschlussarbeit in Bereichen wie Biologie, Zoologie, Landschaftsökologie und Naturschutz schreiben, können dies ebenfalls in Kooperation mit dem Zentrum tun. Wer das Kranich-Informationszentrum gleich ein ganzes Jahr unterstützen will, kann hier ein freiwilliges ökologisches Jahr ableisten.

Die nach Süden ziehenden Kraniche erkennt man im Flug an ihrer typischen V-Formation (Bild: Astrid Diepes)

Seit Herbst vergangenen Jahres gibt es am Günzer See einen neuen Geheimtipp für Kranichfreunde: Die Beobachtungsstation „Kranorama“. Mit ihrer Aussicht auf die Günzer Seewiesen bringt sie große Vorteile für Mensch und Tier. Sie ist deutlich größer als die vorherige Station und bietet dank ihrer durchdachten Architektur ideale Bedingungen, um die Kraniche zu beobachten. Mit unauffälligen Sichtfenstern versteckt sie die Menschen vor den Vögeln, so dass diese ungestört ihre Energiereserven füllen können. Seit 1. September 2016 lädt das Zentrum wieder täglich von 10 bis 16 Uhr zum Beobachten ein. Informationstafeln und audiovisuelle Medien reichern das Naturschauspiel mit zahlreichen interessanten Informationen an. Und für Naturfotografen gibt es eine spezielle Plattform, von der aus sie die Tiere aus nächster Nähe vor die Linse bekommen.


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