Astrid Diepes

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Maria Gräfin von Linden: Tübingens erste Studentin

Maria Gräfin von Linden: Tübingens erste Studentin

Teil 2 unserer Reihe über Württembergische Wissenschaftler/innen
Text: 
Astrid Diepes
6. Januar 2016

Sylvester ist die Nacht der großen Vorsätze. Doch oftmals verliert man seine Ziele im Trubel des Alltags dann ganz schnell wieder aus den Augen. Wir wollen euch mit unserer heutigen Studi-Story dazu motivieren, für eure Ziele zu kämpfen – am Beispiel einer mutigen und inspirierenden Wissenschaftlerin, die sich auch von den Schwierigkeiten ihrer Zeit nicht unterkriegen ließ. Maria Gräfin von Linden war ab 1892 die erste Studentin an der Universität Tübingen. 1910 bekam sie als erste Frau an der Universität Bonn den Professorentitel verliehen.


Maria von Linden im Jahr 1892 (Bild: privat)


Geboren wurde Maria Gräfin von Linden-Aspermont am 18. Juli 1869 auf Schloss Burgberg im Kreis Heidenheim. Ihre Eltern Graf Edmund von Linden und Eugenie, geb. Freiin Hiller von Gärtringen, werden an diesem Sommertag nicht geahnt haben, dass es ihre Tochter einmal in die Welt der Wissenschaft verschlagen würde. Maria erinnert sich später an ihre damals nicht selbstverständliche Studienzeit in Tübingen: "Wenn ich heute sehe, wie Männlein und Weiblein einträchtig Seite an Seite in Hörsaal, Laboratorium und Seminar Wissenschaft schöpfen, erscheint es mir unglaublich, welche Summe von Arbeit, Ausdauer und diplomatischer Kunst nötig war, um die Geburtsstunde der ersten Tochter der Alma mater Eberhardina Carolina zur Tatsache zu machen."



Kolloquium in Tübingen mit Maria von Linden, Dr. Fickert und Kollegen im Jahr 1897 (Bild: privat)


Von Linden berichtet, wie es dazu kam. Schon das Abitur war damals für eine junge Frau eine Herausforderung, denn in Deutschland wurden Mädchen auf dem Gymnasium oder Realgymnasium nicht zugelassen. Marias Großonkel Joseph war Minister und unterstützte seine ehrgeizige Großnichte. In der Schweiz konnten Frauen bereits damals problemlos an Universitäten studieren. Doch Großonkel Joseph wollte es Maria auch in Württemberg ermöglichen. Diese war überzeugt von ihrem Vorhaben. In einem Brief an ihren Bruder schrieb sie 1889: "Daß von dieser Aufgabe [dem Studium] das Weib nicht ausgeschlossen ist und sich ebensowohl wie der Mann, wenn es sich dazu berufen fühlt, derselben gewachsen zeigt, beweist die Geschichte. Welcher Vernünftige könnte, um nur ein Beispiel aus unserem Jahrzehnt zu wählen, leugnen, daß eine Frau wie Sonja Kowalewski [Sofja Wassiljewna Kowalewskaja, Professorin der Mathematik in Stockholm] einem Gelehrten in nichts nachsteht."

 

Die sogenannte "Tümpelgruppe" der Universität Tübingen mit Maria von Linden (Bild: privat)

Bade

n und Württemberg waren seit jeher Vorreiter des Frauenstudiums. Die beiden Länder machten damals ihrem Namen als "Musterländle" alle Ehre, da hier seit 1895 Frauen an der Philosophischen Fakultät der Universität Heidelberg studieren durften. Ab dem Jahr 1900 ermöglichten die beiden damaligen Landesuniversitäten Heidelberg und Freiburg Frauen, die Hochschulen als ordentliche Studierende zu besuchen. Der württembergische König erließ 1904 den allgemeinen Beschluss, "reichsangehörige weibliche Personen unter den gleichen Voraussetzungen und in der gleichen Weise wie männliche Personen an der Universität Tübingen" zum Studium zuzulassen. Im Dezember des Jahres 1905 zog die Technische Hochschule Stuttgart nach. Als Vergleichsmaßstab: In Preußen blieb Frauen bis 1908 ein Universitätsstudium verwehrt.

Wer den ersten Teil unserer Wissenschaftsreihe über den Verband Baden-Württembergischer Wissenschaftlerinnen vom 2. Dezember verpasst hat, findet ihn im Studi-Story-Archiv. Am 24. Februar 2016 geht es weiter mit Teil 3 über Ute Mackenfeld. Sie ist Professorin für Parasitologie an der Universität Hohenheim und Universitätsgleichstellungsbeauftragte.


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