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Klo vadis?

Rund 250 öffentliche Toiletten gibt es in Berlin - noch. Die City-WCs sind werbefinanziert und werden von Wall betrieben, aber der Vertrag läuft Ende 2018 aus. Nun will der Senat Werbung und Toiletten entkoppeln und sucht nach einem neuen Betreiber.

Die 252 öffentlichen City-WCs in Berlin sind barrierefrei, werden von Wall betrieben und über Stadtwerbung finanziert. Doch der Senat hat nun ein neues Toilettenkonzept beschlossen: Das bisherige, über Werbeeinahmen finanzierte Modell, könne aus kartell-, beihilfe- und vergaberechtlichen Gründen nicht fortgeführt werden, sagte Umweltsenatorin Regine Günther (parteilos/für Grüne) am Dienstag.

Werbung und WCs werden entkoppelt

Allerdings lässt sich das neue Konzept der Senatsverwaltung nur verwirklichen, wenn auch bis Anfang 2018 ein neuer Betreiber gefunden wird. Ein Sprecher von Wall bezeichnete den Zeithorizont des Vorhabens als "ambitioniert" - nur rund 15 Monate verbleiben zwischen Beginn der Ausschreibung und der geplanten Umsetzung des neuen Klokonzepts.


Wall werde sich für die Ausschreibung nicht bewerben, da das Konzept nicht zum Geschäftsmodell passe, sagte der Sprecher rbb|24. Als Stadtmöbilierer betreibt Wall zwar Toiletten, jedoch sind diese immer über Außenwerbung refinanziert. Das Bestreben des Senats, Stadtwerbung und Toiletten zu entkoppeln, habe Wall zumindest überrascht, so der Sprecher: "Der Senat wird dafür Gründe haben, allerdings muss man bedenken, dass sich in anderen Städten die Frage nicht stellt."

Europäische Hauptstädte wie Stockholm bauen ihr öffentliches Toiletten-Angebot unterdessen mit werbefinanzierten City-Toiletten aus. Und auch deutsche Hauptstädte setzen nach wie vor auf das Konzept - unter anderem Berlins Nachbarstadt Potsdam. 


Abkauf oder Abbau

Doch was passiert mit den rund 250 Toiletten, wenn der Vertrag ausläuft? Ganz klar ist das zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Eine Möglichkeit ist, dass der neue Betreiber oder der Senat die Toiletten zum aktuellen Zeitwert von Wall abkauft. Falls nicht, würden die Toilettenhäuser Anfang 2019 von Wall wieder abgebaut, erklärte Geschäftsführer Patrick Möller bereits im Februar. Übergangsweise würden an den Standorten dann mobile Toiletten aufgestellt, bis neue feste installiert seien, so Senatorin Günther.


Dabei ist die Stadt, auch aufgrund der weiter steigenden Touristenzahlen, dringend auf die öffentlichen Toiletten angewiesen. Im Mai 2017 ging die millionste Besucherin auf die Toilette am Breitscheidplatz. Das Klo ist seit 2006 in Betrieb und neben der Toilette am Alexanderplatz das meistbesuchte WC Berlins.


Weniger Geld als vor 25 Jahren

Der Senat spricht unterdessen von einem "verbesserten Toilettenkonzept", das mit "intensiver Beteiligung der Bezirke-, Behinderten- und Tourismusverbände" sowie Seniorenvertretungen und anderen Interessensgruppen entwickelt worden sei. Der Senat plant, die bisherige Toilettenflotte um fünf weitere Klos aufzustocken. Für die weniger genutzten Standorte sollen bessere Plätze gefunden werden. Insgesamt will der Senat 130 Millionen Euro bereitstellen - verteilt über 15 Jahre. So lange soll der Betreibervertrag laufen, für den der Senat derzeit interessierte Unternehmen sucht.

Umgerechnet auf ein Jahr wären das neun Millionen Euro - für Aufbau, Reinigung und Pflege der öffentlichen Toiletten. Dies bestätigte Matthias Tang, Sprecher des zuständigen Senats für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz im Januar: "Wir haben das kalkuliert, und ich gehe mal davon aus, dass wir mit diesem Konzept eine gute Versorgung mit öffentlichen Toiletten hinbekommen."


Naht der "Toiletten-BER"?

Dabei hat Berlin bereits im Jahr 1992, also vor 25 Jahren, umgerechnet rund zehn Millionen Euro für die öffentlichen Toiletten bezahlt. Einige Bezirksbürgermeister stehen dem neuen Konzept daher kritisch gegenüber - so auch Neuköllns Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD). Gegenüber der B.Z. sagte sie vor rund vier Wochen, sie wolle nicht, dass Berlin einen „Toiletten-BER“ bekomme.


Bis 2020 will der Senat laut Plan die Anzahl an öffentlichen Toiletten weiter erhöhen, auf 366 WCs, mit der Option ab 2024 auf 447 aufzustocken. Ob die Wall-Toiletten übernommen werden oder nicht - so oder so sollen die Toiletten in Zukunft behindertengerecht und für behinderte Nutzer kostenlos bleiben. Für alle anderen soll die Nutzung wie gehabt 50 Cent kosten.


Dieser Artikel wurde am 1. August 2017 auf rbb24 veröffentlicht