FOTO: Thanks to Christoph Schaller
Der Zug rauscht in den Münchner Hauptbahnhof. Es hat 30 Grad, als ich an einem Montagnachmittag hier stehe. Die Luft flimmert, egal, was man macht, man schwitzt. Die Vorstellung, jetzt in einem Zug zu sitzen, lässt mich erschaudern. Gänsehaut macht sich breit, obwohl es so heiß ist. Aber ich stehe nur am Gleis. Einen Block in der einen Hand, mein Handy in der anderen. „Ungarn hat seinen Hauptbahnhof freigemacht, über 200 Flüchtlinge kommen heute aus Budapest an, schau mal, was da los ist", war der Auftrag meines Chefredakteurs. Also bin ich in Windeseile zum Bahnhof gehüpft, und warte nun. Während ich noch darüber nachdenke, wie stickig es in dieser Bahnhofshalle ist, kommt der Zug zum Stehen. Die Türen öffnen sich. Menschen steigen, nein, fallen aus dem Zug. Viele, viele Kinder, dazwischen Babys, alte Menschen, Familien, die maximal so alt sind wie ich. Ihre Gesichter sind müde, ihre Wangen eingefallen. Die Strapazen ihrer wochenlangen Reise ist ihnen anzusehen. An diesem Tag kommen über 600 Menschen in München an. Am nächsten sind es bereits 2000. Am Ende kommen über 135000 Menschen in den ersten Herbstwochen in unsere Stadt.
Auch wenn die erste Flut der Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan und Irak hierzulande abgeebbt ist, stranden täglich Menschen in Lesbos, Kos und anderen Küsten am Mittelmeer. Sie riskieren ihr Leben, lassen ihr Hab und Gut zurück, weil Krieg und Terror ein Leben in ihrer Heimat unmöglich machen. Sie leben unter unmenschlichen Bedingungen in den Flüchtlingscamps, werden auf der Flucht eingepfercht wie Tiere und erleiden Hunger und Kälte auf dem Weg in eine sichere Zukunft.
Als ich an diesem Tag am Bahnhof stand, konnte ich nichts tun. Statt meinem journalistischen Auftrag nachzugehen und zu fragen, wie denn die Reise von Ungarn bis nach München so gewesen sei, blieb ich sprachlos und berührt zurück. Half Menschen beim Aussteigen, zeigte ihnen den Weg, und gab ihnen zu trinken. Später machten es Tausende von Münchnern genauso, bis die Stadt mehr Spenden als Flüchtlinge hatte. War ich schon zuvor überzeugt davon, dass es wichtig ist, zu helfen, wünschte ich mir, ein jeder Flüchtlingsgegner hätte mit mir an dem Gleis gestanden und in die Augen dieser Kinder, Frauen und Männer gesehen. Niemand, wirklich niemand, verlässt seine Heimat, wenn es nicht sein muss. Viele tun es, für ihre Kinder, für eine bessere Zukunft, ohne Angst.
Spätestens seit diesem Tag ist klar: Wir von amazed wollen uns positionieren. Zeigen, dass wir Flüchtlinge willkommen heißen. Dass wir als Europa keine Angst haben sollten, sondern es eine Bereicherung für unser Leben sein kann, so viele neue Menschen in unserer Gesellschaft willkommen zu heißen. Wir wollen helfen - sei es durch Spenden, durch Aufklärung über die Reichweite unseres Blogs oder durch die Unterstützung von besonderen Ideen für Toleranz, Verständnis und Integration.
Eine unserer liebsten Münchner Designerinnen Ayzit Bostan hatte eine solche Idee. Was tun, in Zeiten von Krieg und Terror? Sich Frieden wünschen ist das Naheliegendste und unser aller größter Wunsch. Als die Designerin im vergangenen Jahr in Marrakesch war, ließ sie sich den John Lennon Spruch „Imagine Peace" auf arabischer Schrift aufschreiben. Neben dem Wunsch nach Frieden zielte die Designerin vor allem auf eines ab: die arabische Schrift in unserem öffentlichen Raum zu positionieren. Denn ihr war aufgefallen, das bis heute die römische Schrift im Modebereich dominiert. Wie oft tragen wir Slogans und Sprüche auf Shirts? Doch niemals in arabischer Schrift. Dabei ist diese eine wunderschöne Schrift. Mittlerweile hat sie Tshirts, Rucksäcke und Pullover mit dem Zitat versehen. Auch wenn die Motivation von Ayzit Bostan erst einmal eine andere war, ist „Imagine Peace" in diesen Wochen und Monaten ein wichtiges Zeichen. Nicht nur, dass man die arabische Schrift in den modischen und städtischen Raum bringt, man zeigt als Mensch seinen neuen Mitbürgern Offenheit und den größten Wunsch unser aller nach Frieden. In der Süddeutschen Zeitung erzählte Ayzit Bostan, dass die Reaktionen auf die Shirts durchgehend positiv gewesen seien - vor allem von arabischen Menschen. Schließlich sehen sie ihre Schrift viel zu selten im öffentlichen Raum.
Für uns war klar: Wir wollen Ayzits Idee unterstützen. Wer diese Idee ebenfalls so wunderbar findet, kann sich entweder wie wir eines der Kleidungsstücke von Ayzit Bostan kaufen oder sich einfach den Slogan von Ayzit Bostans Website runterladen und das Lieblingsshirt selbst bedrucken lassen.
Ist doch irgendwie schöner, als das x-te „NEW YORK"-Shirt, nicht? IMAGINE PEACE!
Foto: Christoph Schaller