Die deutsche Veranstaltungsbranche verkauft im Jahr rund 120 Millionen Tickets und setzt mehrere Milliarden Euro um. Seit Ausbruch der Corona-Pandemie Anfang März können Großveranstaltungen nicht mehr stattfinden. Konzerte bleiben nach aktuellem Stand bis einschließlich 31. Oktober verboten. Zwar gibt es Hilfen der Bundesregierung für die Kulturbranche - doch längst nicht alle profitieren. Die Agentur MCT gehört zu den mittelgroßen Unternehmen in der Konzertbranche. Ihr Gründer, Scumeck Sabottka, fürchtet um ihr Überleben.
ZEIT ONLINE: Herr Sabottka, gibt es Konzerte, über deren Absage Sie eigentlich nicht traurig sind?
Scumeck Sabottka: Na klar. Das sind etwa so fünf Prozent meiner Konzerte, bei denen ich unsicher bin, ob sie überhaupt etwas einbringen. Ich weiß vorher häufig nicht, ob sich die Tickets verkaufen. Im Zweifelsfall ist es dann günstiger, die Kosten der Absage zu tragen.
ZEIT ONLINE: Welche Konzerte sind das?
Sabottka: Das will ich nicht sagen. Das wäre einfach unfair den Künstlern und Künstlerinnen gegenüber, als ob man ihnen aus dem Nichts eine Klatsche verpasst. Trotzdem: Ich hätte lieber zehn Konzerte veranstaltet, bei denen ich mit Miesen rausgehe, als jetzt in dieser Situation zu sein.
ZEIT ONLINE: Was bedeutet Corona für Sie?
Sabottka: Das ist für mich der Gau - wie Tschernobyl, nur auf der ganzen Welt. Du bist unwissend und merkst erst mal nicht, wie die Strahlung deinen Körper zerstört. Ähnlich wie bei Viren. Es dauert, bis du merkst, dass du dich angesteckt hast. Hinzu kommt die persönliche Komponente: Ich kenne einige Menschen, die an Corona erkrankt sind und sogar einige, deren Verwandte gestorben sind. Das war allerdings in Brasilien. In Deutschland habe ich davor keine Angst, eher Zukunftssorgen.
"Insgesamt würde ich mit etwa drei Millionen Euro weniger aus der Sache rauskommen." Scumeck Sabottka, KonzertveranstalterZEIT ONLINE: Sie haben die für dieses und nächstes Jahr geplante Europatournee von Rammstein organisiert. Also riesige Konzerte mit Zehntausenden Besuchern. Wie viel Geld entgeht Ihnen da?
Sabottka: Sagen wir es anders: Wenn die Europatournee und alle anderen Konzerte, die wir verschoben haben, nächstes Jahr stattfinden können, komme ich mit einem blauen Auge davon. Ich hätte ein schlechtes Jahr gehabt und mein Erspartes aufgebraucht. Aber im nächsten Jahr kann ich dann wieder mit Umsatz rechnen. Insgesamt würde ich dann mit etwa drei Millionen Euro weniger aus der Sache rauskommen.
ZEIT ONLINE: Und was, wenn die Konzerte auch im nächsten Jahr nicht möglich sein werden?
Sabottka: Wir haben im Jahr 2020 so gut wie nichts durch Ticketverkäufe eingenommen. Viele Konzerte wurden komplett abgesagt. Wenn nächstes Jahr auch nichts stattfinden kann, kann ich dichtmachen.
ZEIT ONLINE: Wie reagieren die Fans auf die Ausfälle?
Sabottka: Am Anfang mit Unsicherheit und Unverständnis. Letztlich blieben sie aber den Bands treu. Viele Bands wussten nicht, ob sie ihre Konzerte aufs nächste Jahr verlegen können. Dann ging der Run los auf die Hallen und Veranstaltungsorte. Wir haben insgesamt 85 Prozent der Veranstaltungen auf nächstes Jahr verlegen können. Kaum ein Fan hat seine Karte zurückgegeben. Die Menschen, die dieses Jahr zu Björk und Rammstein wollten, wollen da anscheinend nächstes Jahr auch hin.
ZEIT ONLINE: Björk, Rammstein, Pearl Jam und Massive Attack sind alles Bands, mit denen Sie zusammenarbeiten. Wie geht es denen in der Krise?
Sabottka: Ehrlich gesagt weiß ich das nicht, ich habe wenig mit den Künstlerinnen und Künstlern zu tun. Aber in der Zusammenarbeit haben sich alle Bands sehr verständnisvoll gezeigt, dass auch wir als Konzertveranstalter jetzt erst mal mit Unsicherheiten zu kämpfen haben. Ich glaube, die meisten sind hochgradig frustriert, so wenig, wie es derzeit zu tun gibt. Ich habe beispielsweise auch deutlich weniger Kontakt zu Managern und Agenten. Die hocken jetzt alle im Homeoffice oder allein im Büro so wie ich.