Zwei Mal pro Jahr präsentieren während der Fashion Week bekannte Berliner Labels wie Kaviar Gauche, LalaBerlin oder C.Neeon am Bebelplatz ihre neusten Kollektionen. Wegen der oft gerühmten Dichte an jungen Künstlern und Kreativen lohnt sich aber gerade der Blick auf Nachwuchstalente. Diese schicken ihre Models meist über den Laufsteg von sogenannten Off Locations - Plätze, die nicht offiziell organisiert werden. Eine Plattform für unbekanntere Namen bieten dabei Nachwuchswettbewerbe. Bei "Start your fashion business" und dem "Premium young designers award" soll durch Preisgelder und professionelle Unterstützung neuen Labels der Einstieg in die Branche erleichtert werden. Junge Designer wie Michael Sontag, Vladimir Karaleev oder Cimen Bahri und Derya Issever nutzen diese Chance. "Start your fashion business" ist der erste Modewettbewerb, der von der Stadt Berlin ausgerichtet wird. Neben hohen Preisgeldern (25 000 Euro für den Gewinner) garantiert der Preis ein Medienecho in Berliner Tageszeitungen. Gewonnen hat ihn im Juli der Berliner Designer Michael Sontag. Es ist nicht sein erster Wettbewerb, im letzten Jahr qualifizierte er sich für den von Peek & Cloppenburg organisierten Award "Designer for tomorrow" und gewann den "Innovationspreis des Gesamtverbandes Mode und Textil". Im Oktober steht er im Finale des "Mango fashion award". Die Geldpreise sind natürlich ein Anreiz, wirklich wichtig sind Sontag aber andere Faktoren: "Ich sehe solche Wettbewerbe als Experimentierfeld, man kann rausfinden, was man will, und wird gleichzeitig professioneller". Angefangen sich zu bewerben hatte er schon während des Studiums, erzählt der Designer. "Ich habe mein Studium geliebt, aber ich wollte trotzdem auch raus, mal ein anderes Feedback bekommen als das der Dozenten und Mitstudierenden". Sontags Stil ist bestimmt von raffinierten Schnitten, die trotzdem klar und elegant wirken. Seine Arbeitsweise ist experimentell, in einer Phase, die er selbst als "fast manisch" beschreibt, drapiert, experimentiert und produziert er eine große Masse von Stücken, danach wird redigiert. "Dabei kristallisiert sich dann meistens ein kleines Detail heraus, zum Beispiel eine Schulterpartie, das dann die ganze Kollektion bestimmt", verrät er. Herzstück der aktuellen Kollektion war zum Beispiel eine ärmellose silbergraue Anzugsjacke. Michael Sontag hat an der Berliner Kunsthochschule Weißensee studiert, wie auch drei weitere der insgesamt fünf Finalisten des "Start your fashion business"-Wettbewerbs. Die Konkurrenz zwischen den aufstrebenden Labels ist gering, da sich alle seit Jahren kennen. "Natürlich wollen alle gewinnen, aber wir fühlen uns sehr verbunden, weil wir uns alle kennen und mögen", meint Sontag. Ganz ähnlich äußern sich Rosa Gröszer und Tina Luther. Mit ihrem Label Mikenke haben sie gerade den "Ready to green award" gewonnen. Die beiden Designerinnen freut vor allem der Aufschwung ihrer vormaligen Hochschule Weißensee. In den letzten Jahren lag der Fokus der Öffentlichkeit eher auf der Universität der Künste Berlin mit ihren berühmten Gastdozenten wie Vivienne Westwood. Weder an der UdK noch in Weißensee, sondern an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin lernten sich Cimen Bahri und Derya Issever kennen. Mit ihrem Label Issever Bahri gewannen sie den "Premium young designers award" in der Kategorie Womenswear. Dieser Preis wird seit 2005 verliehen. Neben der Präsentation durch die etablierte Premium Modemesse winkt auch ein Preisgeld in Höhe von 20 000 Euro. Die beiden Designerinnen bezeichnen ihre Mode klar als high-end, also bewegen sich ihre Kreationen im oberen Preissegment. Der Ansatz ist "konzeptionell experimentell", tragbar sollen die Stücke trotzdem bleiben. In Sachen Inspiration spielt auch der private Background der beiden eine große Rolle. "Unsere Arbeit ist geprägt durch einen großen Anteil an traditioneller Handwerkskunst, die in unseren Heimatländern Türkei und Griechenland einen hohen Stellenwert besitzen. Diese traditionellen Arbeiten kombinierten wir mit modernen Schnitten und Techniken zu einer neuen Einheit", erklärt Bahri. So entstand zum Beispiel auch die aktuelle Kollektion mit der osmanischen Kultur im Hinterkopf. Bahri und Issever verarbeiteten dabei Themen aus der islamischen Architektur oder der Metallarbeit. Im Oktober planen sie, die Kollektion außerhalb Deutschlands auf der Pariser Tranoi Modemesse vorzustellen. Doch was ist mit denen, die nicht den ersten Platz machen? Der Drittplatzierte bei "Start your fashion business" ist Vladimir Karaleev. Das Preisgeld betrug auch hier immerhin noch 10 000 Euro, und dazu kommen PR-Leistungen im Wert von 5 000 Euro. Karaleevs Entwürfe kann man bereits in einigen Berliner Läden wie dem Apartment am Alexanderplatz kaufen, aber auch er schätzt die Wettbewerbe als Plattform. "Ich war außerdem von der Jury sehr beeindruckt", erzählt er. Deren Mitglieder können einem Jungdesigner in der Branche in der Tat nützlich sein, neben Christine Arp, der Chefin der deutschen "Vogue", bewertete unter anderen auch die frühere Designerin und Blogger-Legende Diane Pernet die Entwürfe. Karaleevs Stil ist das Spiel mit Volumen und Drapierungen, er legt besonderen Fokus auf die Stoffe und ihre jeweiligen Eigenschaften. Der junge Designer hat schon seit seiner Kindheit ein besonderes Verhältnis zu Textilien. "Meine Oma hat immer genäht. Das Geräusch der Nähmaschine war für mich als Kind so beruhigend wie für andere das leise Schnurren einer Katze" erzählt Karaleev. Sein nächstes Projekt jedoch hat nichts mit Mode zu tun. Neben neun weiteren Künstlern fertigte er eine Skulptur für die Ausstellung "Have balls eccentric " an, die ab dem 29. Juli im Splace Studio im Berliner Fernsehturm zu sehen ist und in einer Publikation dokumentiert werden soll. Die Arbeit an den Objekten sieht Karaleev als Ausgleich und Ergänzung: "Skulptur hat einfach weniger Grenzen als Mode, ein Kleidungsstück muss am Ende eben doch zum menschlichen Körper passen, da bin ich bei einer Skulptur freier." Ganz untreu wird er der Mode auch bei diesem Projekt nicht, neben Holz und Schaumstoff hat er wieder sein Lieblingsmaterial Stoff verwendet. Trotzdem eine schöne Abwechslung, denn diesmal gibt es auch keinen Sieger. ------------------------------ Gute Adressen Michael Sontag Atelieradresse: Manteuffelstraße 105, Kreuzberg, www.michaelsontag.de Issever Bahri Atelieradresse: Wrangelstraße 5, Kreuzberg, www.isseverbahri.com Apartment am Alexanderplatz, Memhardstraße 8, Mitte, www.apartmentberlin.de; Mo-Fr 12-20 Uhr, Sa 12-18 Uhr ------------------------------ Foto: Der Designer und mehrfache Preisträger Michael Sontag kreiert in seinem Atelier Kollektionen für Modenschauen.
Annika Zieske
Berlin
Feature