Rudi lässt sich auf den schmalen Holzstuhl fallen und atmet tief durch. Die Pause hat er sich verdient. Eben noch stand er in der Küche, hat Gemüse geschnitten, mit den Kollegen geschnackt. Jetzt friemelt der schmächtige Mann eine Zigarette aus seiner Jackentasche und schlägt die Beine übereinander. „Die Arbeit macht Spaß, nette Leute, nette Kollegen, darum geht's doch", raunt er leise in den Zigarettenrauch.
Rudis Arbeitsplatz ist das „Cafée mit Herz" in St. Pauli, eine Tagesstätte für Obdachlose. Seine Kollegen sind Gäste wie er, solche, die mit anpacken, um den Betrieb am Laufen zu halten. „Sozialer Hafen" nennen die Mitarbeiter der Tagesstätte diesen Ort zwischen Reeperbahn und Landungsbrücken.
Für Rudi, 50, trifft diese Beschreibung wohl zu. Seit Anfang des Jahres ist das Cafée mit Herz sein Fixpunkt in der Stadt, seine Tage beginnen und enden direkt hier. Morgens um halb sechs rollt er seinen Schlafsack draußen vor der Tür zusammen und kommt zur Frühschicht. Essen vorbereiten, Tisch decken, Abwasch, Mittagessen: Routine für den gelernten Koch.
Gegen 17 Uhr verlässt Rudi die Tagesstätte wieder, manchmal dreht er noch eine Runde auf dem Kiez, bis er sich zum Schlafen wieder vor die Tür legt. „Drinnen pennen geht ja nicht", sagt Rudi, der jeden Satz mit einem Schulterzucken beendet.
Das stimmt: In der Nacht ist das Kellergewölbe des ehemaligen Hafenkrankenhauses, in dem das „Cafée mit Herz" sitzt, geschlossen. Die Bewohner weichen auf Notunterkünfte oder eben auf die Straße aus. „Im Sommer ist das auszuhalten, je nach Witterung", sagt Rudi. Und im Winter? Rudi schweigt, Schulterzucken.
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