Damals als Kind, gehörte ich zu denen, die selbst durch die Scary Movie Filme Angst bekamen. Bei jedem Druck nach unten auf den Lichtschalter galt es, danach einen 100 m Sprint bis zum Ende der Treppe hinzulegen. Ich hatte vor so ziemlich allem Angst, wovor man Angst haben konnte. Eine Sache verstand ich jedoch noch nie so richtig: Die weit verbreitete Angst vor Clowns.
Stephen King mit „Es" war der Auslöser vieler traumatischer Kindheitserlebnisse vieler Menschen. Noch heute hört man aus allen Ecken Schreie, wenn wieder einmal der Killerclown auf den Leinwänden zu sehen ist. Die leichenblasse Haut, das verstörende breitgezogene Grinsen und der weit nach hinten verlagerte Haaransatz. Vielen Menschen reicht diese Beschreibung aus, um einen kalten Schauer auf dem Rücken zu verspüren. Manchmal frage ich mich, ob es jemals eine Zeit gab, in dem Clowns ihren eigentlichen Zweck erfüllten: Lustig zu sein. Wahrscheinlich ist das einer dieser Mythen, wie die lustigen Fotos mit dem eigenen Kind zusammen mit dem örtlichen Weihnachtsmann im Kaufhaus, die meist in viel Tränen und noch viel mehr Traumata endeten.
Das nicht jeder bleiche Clown mit roter Farbe und quietschenden Schuhen ein Mörder ist, zeigen uns A Jolly Corpse mit ihrem Point 'n' Click Adventure Dropsy.
Dass man vor Dropsy, dem unheimlich (lieben) Clown keine Angst haben muss, erfährt man bereits nach dem ersten Anspielen. In einem kurzen Intro erfahren wir, dass Dropsy zusammen mit seinen Eltern in einem Zirkus arbeitet. Durch einen tragischen Unfall (?) fackelt Dropsy jedoch den kompletten Zirkus ab. Seine Mutter stirbt in dem Feuer, sein Vater überlebt. Dieser ist mittlerweile schwerkrank und liegt im Sterben. Was im ersten Moment nach einer Episode Walking Dead klingt, entpuppt sich auf dem zweiten Blick als Werdegang eines psychisch leidenden Clowns, der alles tun will um seinen Mitmenschen Freude zu bereiten.
Diesen Abschnitt haben die Bewohner der Stadt jedoch nicht mitbekommen. So schreien Kinder und rennen vor Dropsy weg, andere werfen ihm abwertende Blicke zu und werfen ihn aus dem Laden. Das Dasein eines Clowns ist schwer, das erfahren wir schnell an eigener Haut. Statt zu resignieren und sich doch dem Leben eines Killerclowns hinzugeben, gewinnt Dropsy die Herzen der Bewohner, in dem er ihnen bei ihren Problemen hilft. Als Dank gibt es dann meist eine Umarmung, diese sind für den liebenswerten Clown das allergrößte, und so werden diese in Form von selbstgemalten Bildern über sein Rennwagen Autobett gekennzeichnet.
Ein „Hugventure" - so nennen die Entwickler selbst ihr Spiel mit dem Umarmung liebenden Clown. Während dieser den Menschen und Tieren um sich rum hilft, verarbeitet er seine eigenen traumatischen Erlebnisse in Form von psychedelischen Träumen. Immer wieder wird man als Spieler zwischendurch auf den kalten Boden geholt, und muss sich den alltäglichen Horror stellen. Dropsy spielt sich weniger als ein klassisches Point 'n' Click Adventure, als den Werdegang einer psychisch geschädigten treuen Seele.
Wer kennt sie nicht, die nostalgischen Point n' Click Adventures aus den 90ern? Vor allem Ron Gilbert spielte als Point 'n' Click Vater eine große Rolle in der Entstehungsgeschichte des Genres. Sei es die beliebte Monkey Island Reihe, oder auch Zak McKracken. Während sich Triple A-Titel wie Assassins Creed oder Call of Duty immer weiter festfahren, sorgen die Indie-Entwickler für die nötige Abwechslung. Genres werden vermischt. Tiefgründige Themen werden angesprochen und auch die Protagonisten gestalten sich abwechslungsreicher, als die 0815 Dreitagebart-Helden. So entschied man sich bei A Jolly Corpse dafür, dem etwas eingestaubten Genre frischen Wind einzuhauchen. Dabei wird das Genre zwar nicht neu erfunden, jedoch vor allem für Neueinsteiger des Genres um einiges Einsteigerfreundlicher gestaltet.
Mit seinem kindlichen Gemüt und der etwas tumben Art, rätselt ihr zusammen mit Dropsy in piktografischer Form. Statt wie für ein Point'n Click Adventure typisch, den Spieler mit DINA4-Seiten Text vollzupumpen, gilt es hier mit einzelnen Bildern klarzukommen. Die eigene Aufgabe ist also nicht das zusammenpuzzlen der einzelnen Rätsel, sondern viel eher das eigentliche Rätsel zu verstehen. So braucht es oft einige Anläufe bis man versteht, das der NPC in Form seiner Sprechblasen ausdrücken möchte.
Einen ähnlich frischen Ansatz geht A Jolly Corpse mit dem Open-World Setting an.
Während man in fast allen RPG- und Action Spielen momentan geradezu bombardiert wird mit offenen Welten, vollgepackt mit sinnlosen Aufgaben, ist Dropsy das erste Point n' Click-Adventure, das diesen Schritt macht. Statt dem Spieler mit nervigen Sammelobjekten und sinnlosen Nebenquests den Spielspaß zu rauben, lässt Dropsy euch entscheiden, was ihr als nächstes tun wollt. Statt wie in anderen Point and Click Spielen zwei Stunden an derselben Aufgabe zu sitzen, hat man hier die Möglichkeit, inzwischen etwas anderes zu tun. Dadurch schrauben die Entwickler den Frustfaktor (der bei den kniffligen Rätseln recht schnell erreicht wird) herunter, ohne dabei den nostalgischen Charme zu verlieren. Die eigentliche Hauptgeschichte des Spiels ist zwar dennoch recht simpel und linear gestrickt, bezaubert aber durch ihre Kombination aus kindlicher Darstellung und starker Themen.
Liebe Clown-therapierten, lasst uns dieses eine Mal hinter die Fassade des Medien geprägten Killerclowns gucken, denn Dropsy entspricht nicht den gängigen Klischees. Statt den Fokus auf den „Scary Clown Next Door" zu legen, zeigt man das wahrhaftig gruselige Gesicht, das Gesicht unserer Gesellschaft. In einer Welt gefüllt mit so viel Boshaftigkeit, Fremdenhass und Armut, erfreut sich der kindliche Clown an den einfachen Dingen des Lebens: Die Gesellschaft seiner Tiere, Umarmungen und Twinkies.
Das Indie Point 'n' Click Adventure besitzt seinen ganz eigenen Charme, der durch die schöne Inszenierung samt melodischen Jazz-Gedudel eine völlig neue Atmosphäre schafft. Für 8,99€ könnt ihr selbst die Abenteuer des liebenswerten Clowns erleben, spätestens nach der ersten Umarmung eines Eichhörnchens, ist Dropsy sein Geld allemal wert.