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Berufswechsel: "Anfangs fühlten sich die dreckigen Klamotten komisch an"

Schon in der Schule faszinierte mich Physik. Ich wollte verstehen, wie sie funktioniert, statt einfach Dinge auswendig zu lernen. Nach dem Abi fiel es mir daher nicht schwer, meinen Weg zu finden. Ich studierte Physik, erst in Chemnitz, dann in . Mein Schwerpunkt war die Quantenphysik, da geht es vereinfacht ausgedrückt darum, wie sich kleinste Teilchen verhalten. Alles schien ausgemacht, sinnvoll. Ich hätte niemals gedacht, dass ich später ganz woanders landen würde: im Handwerk.

Während meiner Diplomarbeit über kosmologische Teilchenerzeugung im expandierenden Universum hatte ich das Gefühl, mit meiner Forschung einen Beitrag zur Wissenschaft zu leisten - die Ergebnisse meiner Arbeit wurden sogar in einem Fachjournal veröffentlicht. Das pushte mich. Also wollte ich auf die nächste Stufe in der Wissenschaft und bewarb mich für eine Doktorandenstelle. Es klappte und ich zog nach Hamburg.

Ich schrieb darüber, wie sich einfache Quantenfelder in einer gekrümmten Raumzeit verhalten, wenn sie im energetischen Grundzustand sind.

Leider war meine Arbeit viel komplizierter als erwartet. Ich zweifelte, denn ich war fast die ganze Zeit mit mathematischen Berechnungen beschäftigt, dabei bin ich kein Mathematiker. Oft fragte ich mich, ob ich wirklich gut genug bin. Mein einziges Ziel war, diese Arbeit zu vollenden. Schon zum Ende meiner Doktorarbeit hin sah ich mich auch nicht mehr an der Uni: Die Gespräche mit Kollegen drehten sich nur um Fachthemen, ich begann mich davon zu distanzieren und auf Tagungen nicht mehr weiter zu vernetzen.

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Nach drei Jahren gab ich endlich meine Doktorarbeit ab. Sie wurde sehr gut bewertet. Das ist typisch für mich: Ich denke zu viel nach, was alles passieren könnte, und zweifle an mir. Nun war ich zwar Doktor der Physik, aber ohne eine Stelle.

Ich komme ursprünglich aus Sachsen und wollte zurück nach Leipzig, weil ich dort während meines Studiums viele Freundschaften geschlossen hatte und mich in der Stadt sehr wohlfühlte. Meinen Wohnort wollte ich nie meinen Job unterordnen.

Ich brauchte das Geld

Mehrere Monate schaute ich nach Stellen in der Wirtschaft, währenddessen bezog ich Hartz IV. Doch 2013 spürten viele Unternehmen noch die Nachwehen der Wirtschaftskrise. Außerdem beäugten mich Personaler oft kritisch: ein theoretischer Physiker, mit Erfahrungen ausschließlich in der Wissenschaft. Eine Firma lud mich sogar zweimal zum Bewerbungsgespräch ein, als könnten sie sich nicht entscheiden. Es ging um Ultraschallforschung. Am Ende sagten sie mir ab, warum, weiß ich nicht.

Dann entdeckte ich diese eine Anzeige in der Zeitung. Ein Immobilieninvestor renovierte Wohnungen und vermietete sie später. Dafür suchte er Mitarbeiter. Ich brauchte das und beschloss, mich zu bewerben. So startete ich als Bauhelfer.

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