Als sie sich vor einigen Monaten auf das Thema Klimapolitik für den 11. Europadialog festlegten, sagte Tanja Börzel in ihrer Anmoderation der Diskussion, habe niemand damit gerechnet, wie aktuell es werden würde: Umfragen zeigen, dass der Klimawandel die Europawahl wesentlich bestimmt hat. In Deutschland stand das Thema sogar an erster Stelle für die Wählerinnen und Wähler. „Es gibt eine neue kulturelle Konfliktlinie in der politischen Diskussion: Auf der einen Seite das grün-alternativ-liberale Milieu, auf der anderen das traditionell-autoritär-nationalistische", sagte Börzel, Inhaberin eines Jean-Monnet-Lehrstuhls und Leiterin der Arbeitsstelle Europäische Integration an der Freien Universität Berlin. „Klima- und Migrationspolitik gehören in diese Konfliktlinie, deshalb ist es naheliegend, dass der Klimawandel von rechtspopulistischen Kräften aufgegriffen wird."
Bequeme Wahrheiten, „Convenient truths" heißt die Studie, die von der Denkfabrik adelphi im Februar veröffentlicht wurde und als Diskussionsgrundlage diente. Sie nimmt die mitunter bequemen und einfachen Antworten der rechtspopulistischen EU-Parteien zur Klimapolitik in den Blick. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass im EU-Parlament die Hälfte aller Gegenstimmen bei Resolutionen zu Klima und Energie aus dem rechtspopulistischen Parteienspektrum kommen. „Ja, Klima ist das neue Migrationsthema", sagte Stella Schaller in der Diskussion. Sie betreut den Themenbereich Klimadiplomatie bei adelphi und ist Co-Autorin der Studie. Klimapolitik und Migrationspolitik hätten viele Gemeinsamkeiten: „Das Thema ist grenzüberschreitend, fordert transnationale Zusammenarbeit, es wird durch äußere Umstände herbeigeführt, es gibt ein externes Feindbild, es ist unheimlich komplex und fordert deshalb komplexe und langfristige Lösungen - genauso wie Migration." Ähnlich wie die zunehmende Migration fordere die Klimakrise Solidarität, Populisten jedoch würden das Thema emotionalisieren und Ängste schüren.
Klimapolitik biete sich geradezu an für Rechtspopulisten, meinte auch Marc Ringel, Professor für Energiepolitik an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt in Nürtingen und Mitglied im Rednerdienst „Team Europe" der Europäischen Kommission. Denn das Thema berge viele Unsicherheiten: „Der Klimawandel fordert komplexe Modelle, die weit in die Zukunft reichen. Natürlicherweise enthalten diese Modelle Fehler; sobald aber ein Teil widerlegt wird, stellen Rechtspopulisten den gesamten Klimawandel infrage." Er plädiere aber nicht dafür, darauf zu warten, bis die Unsicherheiten erkannt würden. „Wir müssen Klimaschutzpolitik systematisch als Chance begreifen. Wir müssen verschiedene Szenarien genauer ausleuchten. Das ist mit Anstrengungen verbunden, aber es geht."