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Wer ist „Hans Entertainment"? BILD erklärt den dicksten Fisch von Facebook

„Kennt ihr diesen Moment, wenn ... ?"

Vielleicht ist er Ihnen auch schon begegnet: Hans Entertainment erobert gerade Facebook. Markenzeichen seiner Selfie-Videos: belanglos, adipös, kumpelhaft und frei von Hemmungen. Er sagt: „Hoch die Hände", „so true", „einfach mal genießen" und grüßt seine „Pimmelberger".

Hans Entertainment ist ein Social-Media-Phänomen. Aber warum, und was sagt das über unsere Gesellschaft aus? BILD sprach mit dem Protagonisten selbst - und bat Medienwissenschaftler Thomas Knieper von der Universität Passau um eine Erklärung. Hans macht, worauf er Bock hat

Mitte Mai startete Christopher Hans (21) aus dem südbadischen Kenzingen seine Facebook-Seite „Hans Entertainment". Aktuell steht sie bei 142 000 Fans (10. Juli). Zum Vergleich: Lothar Matthäus hat 130 000 Fans bei Facebook.

Inhalt der Videos: Hans raucht, Hans trinkt gekühlten Kaffee, dabei sitzt er in seinem Zimmer und redet vom letzten Absturz. Hans freut sich aufs Wochenende, Hans nickt zum Gewummere seines „7.1-Verstärkers mit über 2500 Watt", Hans mäht den Rasen, Hans fährt mit dem Zug oder sitzt im Wagen seiner Mutter, Hans „eskaliert" in der Disko.

Die Clips sind immer direkt aus dem Leben und Tausende schauen sich die Hans-Momente an. Was aber macht den Kult aus?

Der neue Facebook-Star: „Wenn mir eine gute Idee durch den Kopf schießt und hängen bleibt, dann mache ich das. Ich hab das alles selber gemacht. Ich habe mich da von niemandem inspirieren lassen."

Neulich hat „Kollegah" angefragt

So recht erklären kann er sich den Erfolg der Videos, die er „Zeug" nennt, nicht. „Ich bin selber ab und zu noch paralysiert", sagt Hans.

Was man wissen muss: Hans ist kein Medienprofi und hat auch kein solches Umfeld. Die Facebook-Seite der Kleinstadt, aus der er kommt, hat noch nicht mal ein Titelbild.

Sich selbst bezeichnet er als Entertainer. Angefangen damit hat er aus purer Langeweile. „Ich wollte etwas tun, was meinem Leben einen Sinn gibt."

Seit Kurzem hat Hans zwei Manager, die Booking-Anfragen und Fanpost beackern. In Arbeit sei der offizielle „Hans-Song", ein Online-Shop befindet sich im Aufbau. Und gerade hat Rap-König „ Kollegah " angefragt. Spruchreif sei das aber noch nicht.

Was Hans Entertainment zum Facebook-Star macht

„Social-Media-Stars wie Hans Entertainment bedienen die Aufmerksamkeitslogik sozialer Netzwerke besonders gut, indem sie vermeintlich belanglose Inhalte auf originelle Art und Weise präsentieren", sagt Thomas Knieper, Inhaber des Lehrstuhls für Computervermittelte Kommunikation der Universität Passau.

Vergrößern Prof. Thomas Knieper lehrt an der Uni Passau

► Hans zeige gut auf, womit sich im Augenblick öffentliche Relevanz schaffen lasse: „Er postet mit hoher Frequenz (mehrere Beiträge pro Tag) sehr visuelle Inhalte (hauptsächlich Videos), die er originell präsentiert."

Zugute kommen ihm dabei vier Dinge: sein „schockierendes" Aussehen, die kumpelhafte Zuschaueransprache, das einheitliche Erscheinungsbild sowie seine wiederkehrende Sprache - Hans spricht vom „Hans-Entertainment-Moment", sagt „so true", „Pimmelberger" und „Aminakoyum" (türkisches Schimpfwort). Dazu kommt: Hans beherrscht den Jugendslang. Knieper: „Das erstreckt sich von Hashtags bis zu Anglizismen in der Alltagssprache." Sein „Hoch die Hände" hat dadurch schnell Kultstatus erreicht. Projektionsfläche für Gemobbte

Hans Entertainment ist zu einer Anlaufstelle im Netz geworden für alle, die Ablenkung vom ernsten Alltag suchen und von einem Leben ohne Regeln träumen.

Knieper: „Insbesondere jüngere Nutzergruppen sind dabei sehr empfänglich für authentische und originelle Inhalte, mit denen sie sich persönlich stark identifizieren können. Hans Entertainment stellt dabei auch eine Projektionsfläche für alle diejenigen dar, die ansonsten gehänselt oder gemobbt werden." Die Botschaft: Auch als Mensch, der seine Pfunde zu tragen hat, muss man kein Opfer geben, sondern kann sein Leben spaßbetont gestalten.

Wie Teenager über Hans denken

Hans sagt: „Sobald ich vor die Tür trete, werde ich angesprochen." Die Kids wollen Selfies, Autogramme. Nach eigener Aussage erreichen Hans Entertainment mittlerweile täglich zwischen 500 bis 1000 Facebook-Nachrichten. „95 Prozent davon ist Fanpost", sagt sein Manager Stefan Graf. Auf den Rest pfeifen sie. Hans: „Es ist mir wirklich egal, was die Leute über mich denken."

So nimmt das auch seine Zielgruppe wahr. Aus dem Mund eines 14-Jährigen klingt das so: „Wenn wir ihn draußen sehen würden, würden wir über ihn lachen, weil er so schräg aussieht. Aber das in Kombination mit seinen Sprüchen, dafür feiern wir ihn ab."

Knieper erklärt: „Es wird die geben, die ihn als authentisch und eventuell sogar als Vorbild empfinden. Und es gibt die, die Spaß am Fremdschämen empfinden." Hans kann das egal sein, so lange ihm Tausende zuschauen.

Es läuft bei ihm. Doch es gibt auch unangenehme Fragen, die er sich gefallen lassen muss.

Vergrößern 2,05 Meter, kumpelhaft und belanglose Videos: So erobert „Hans Entertainment" aus einer Kleinstadt in Baden-Württemberg gerade das Netz

Zweifelhafte Vergangenheit

Vor etwa einem Jahr konvertierte Hans während eines Auftritts der salafistischen Hassprediger Sven Lau und Pierre Vogel in Freiburg auf einer Bühne zum Islam. In einem Video vom vom 9. Juni ist an seiner Zimmerwand eine Kaiserliche Kriegsflagge zu sehen. Sie war die Dienstflagge des Kolonialamts und des Auswärtigen Amts von 1893 bis 1919. Die Flagge ist nicht verboten, da sie kein Hakenkreuz zeigt. Sie wird allerdings oft von Neo-Nazis bei Aufmärschen missbraucht.​

Hans zufolge sind beides „Phasen der Selbstfindung", die er inzwischen überwunden habe. Schließlich bekomme er die Aufmerksamkeit, die er sich so wünsche und die er in der Moschee erhalten habe, nun von seinen Fans. Der Manager des 21-Jährigen sagt: „Er hat nix mit Rechtsradikalen und Salafisten zu tun. Definitiv nicht."

Die angesprochene Flagge hänge „aus Respekt vor seinem Opa, der im Krieg gefallen ist", in seinem Zimmer.

Mehr will er dazu nicht sagen. So mitteilsam Hans Entertainment sich in seinen Videos gibt, so schweigsam wird er bei privaten Fragen.

Die Menschen, die Videos von Hans Entertainment ansehen, scheint das nicht zu stören. Er ist „der Dicke", der trotzdem Spaß hat. Völlig schmerzfrei greift er Themen auf, die man ihm nicht zugetraut hätte. Auch optisch würde man manche Aktionen nicht vermuten. Dazu gehört etwa das Springbreak-Video, mit knapp 900 000 Aufrufen sein bisher erfolgreichstes Werk.

► Doch was bedeutet es für eine Gesellschaft, wenn Leute wie Hans Entertainment mit banalen Clips so erfolgreich sind?

Knieper: „In unserer heutigen Gesellschaft ist jeder kultfähig, so lange er authentisch ist oder sich authentisch inszeniert."

Das gelingt Hans Entertainment allerdings in jedem seiner Momente.
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