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Tannenbäume haben so ihre Tücken
Seit ich denken kann, stehe ich mit unserem Tannenbaum auf Kriegsfuß. Wir können nicht miteinander - und doch müssen wir uns jedes Jahr zusammenraufen (Wer will schon einen Plastikbaum?). 9 Gründe, warum Weihnachtsbäume einfach nur nerven. Herr Nordmann etepeteteBeginnen wir mit den ökologischen Fragen: Pflanzenschutzmittel, wieviel Waldfläche geht eigentlich durch den ganzen Weihnachtszirkus verloren, um Anfang Januar als ein riesiger Haufen Müll zu enden? Und dann führt mir eine TV-Dokumentation auch noch vor, wie gefährlich (ungesichert im Baumwipfel hängend!) und unter welch schlechten Bedingungen (hatte ich schon erwähnt, dass sie da ungesichert hängen?) die Samenpflücker in Georgien in die Tannen steigen müssen (wie gesagt: ungesichert), damit Oma nach dem Kirchgang mit einer echten Nordmanntanne („Jaja, das gönnen wir uns schon ...") angeben kann.
Hässlich oder so?Ich liebe Symmetrie und Schönheit, die beruhigt mein Auge. Meine Mutter hat eine Vorliebe für Krüppel-Tannenbäume. Je krummer, unsymmetrischer und je weniger buschig, desto doller flattert ihr Herz. Deshalb darf unser Baum auch erst am Mittag des 24. gekauft werden - dann, wenn alle ansehnlichen Exemplare sich schon eine Familie angelacht haben.
Transport-DramaAlso gut. Im Baumarkt (24,90 Euro, Preisgruppe G, bis 2,50 Meter) eine Tanne erstanden. Ins Auto gewuchtet. Spitze beim durchschieben an der Hinterbank abgeknickt. („Die andere in Preisgruppe E wär' doch vielleicht besser gewesen?"). Scheißegal. Danach muss das Auto komplett gereinigt werden. Baum auf dem Balkon parken. Ab jetzt beginnt der Verfall. Und dabei hat Weihnachten noch gar nicht angefangen.
Aufstell-HorrorDas Aufstellen des Weihnachtsbaumes treibt auch gutmütige Mitmenschen alle Jahre wieder zur Raserei. Stamm zu dick, zu dünn, zu was weiß ich. Der Tannenbaum-Ständer, ein Ziegelstein mit Löchern, gefühlte 100 Jahre alt. Das heißt: weder „Klemmmechanismus" noch „Seilzugtechnik" vorhanden. Nach schweißtreibender Bearbeitungen mit Fuchsschwanz und Hammer endlich in das dafür vorgesehene Loch gezwängt. Beim Perspektivwechsel wird klar: Lotrecht ist was anderes.
K-FrageWenn der Familiensegen bis jetzt noch glühweinschwanger fröhlich vor sich hin döst, wird er jetzt einer harten Prüfung unterzogen: K oder K - Ketten oder Kerzen? Das heißt: Sicherheit vs. Nostalgie, Fortschritt vs. Tradition, Kabellage vs. Wachsflecken. Meine Erfahrung: Beides kann in Flammen aufgehen und/oder hässlich aussehen, also ist es so ziemlich wurscht.
Igitt, LamettaWie belastbar der persönliche Geschmack wirklich ist, zeigt sich jedoch erst beim Schmücken des Tannenbaums. Anhänger, Farbkonzept, glänzend oder matt und treue Lametta-Liebhaber, die auch 2014 einfach nicht Schweigen wollen. Es ist zum Davonlaufen.
Pflege? Geht's noch?Pflege-Tipps, die wie von der Kosmetikerin klingen: „Damit er seine schönen Nadeln so lange wie möglich behält, muss er mit Nährstoffen versorgt werden" - „So schonen Sie ihre Baum richtig" - „Je jünger, desto haltbarer" - „Frischehaltemittel". Sorry, da steig ich aus. Es ist ein Baum und keine Ü50-Gesichtshaut, Herrgott!
Wohin mit der Dörrtanne?Auch hier schlummert Zwist ohne Ende. Über's Balkon-Geländer und tschüss! Nicht bei uns. Wird zerlegen die Dörrtanne in ihre Einzelteile - und zwar systematisch. Im Schalenmodell der Atomphysik gesprochen arbeiten sie sich von der äußeren Hülle bis zum Kern vor. Phase 1 (dünne Ästchen) gehört der Haushaltsschere (die für den Garten, mit der sonst auch Nacktschnecken zerschnitten werden). In Phase 2 (dickere Äste und Zweige) kommt die Rebschere zum Einsatz. Jetzt gibt es noch einen Strunk. Der wird (in gleich große Teile) zersägt.
Nadeln, mehr Nadeln, noch mehr NadelnLetztes Jahr habe ich meinen Freud 27 Minuten lang dabei gefilmt, wie er am Tag nach dem Dreikönigstag bedächtig Tannennadeln aufsaugt. Wohnungsputz Ende August: Nadeln unter der Bücherwand entdeckt. Anfang Oktober: Mehr Nadeln entdeckt. Diesmal auch in den Sofaritzen, und es beschleicht einen das miese Gefühl, eine ganz üble Putzqualifikation zu haben. Jede gefundene Nadel sticht in die gerade verheilende Weihnachts-Wunde vom Vorjahr, würgt alle Erinnerungen an die Tannen-Tragödie wieder hoch.