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Bioland-Präsident Thomas Dosch fordert von der Politik ein radikales Umdenken in der Agrarförderung und von den Verbrauchern die Rückkehr zum Sonntagsbraten.
sueddeutsche.de: Herr Dosch, nur fünf Prozent der Landwirte betreiben ökologischen Anbau. Warum redet Frau Aigner überhaupt mit Ihnen?
Kuh auf der Grünen Woche - Bioland-Präsident Dosch erinnert an den Wert von Fleisch. (Foto: Foto: oh)Thomas Dosch: Das liegt daran, dass es Menschen gibt, die sagen: "Es kann doch nicht richtig sein, was in unserem heutigen System der Lebensmittelproduktion passiert." Sie wollen, dass sich politisch etwas ändert und sind auch bereit, mehr Geld für Bioprodukte zu bezahlen. Fünf Prozent Biobauern werden so von weit mehr als fünf Prozent der Bevölkerung unterstützt. Daran kommt die Politik nicht vorbei. Und vielleicht hat ja auch Frau Aigner erkannt, dass Biolandbau Lösungen für den Klimaschutz, den Erhalt der Artenvielfalt und saubere Gewässer bietet.
sueddeutsche.de: Warum werden es nicht mehr Betriebe, die ökologisch wirtschaften?
Dosch: Der Markt honoriert über Lebensmittelpreise nicht den Bauern, der für die Gesellschaft etwas Besonderes leistet, sondern denjenigen, der am billigsten produziert. Das ist Marktversagen. Es müsste derjenige gefördert werden, der bodenfreundlich arbeitet, Grund- und Trinkwasser sauber hält, keine Pestizide spritzt und so volkswirtschaftlich Kosteneinsparungen ermöglicht.
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sueddeutsche.de: In Deutschland hat die Landwirtschaft 16 Prozent Anteil an den klimaschädlichen Emissionen. Welchen Systemfehler sehen Sie in der konventionellen Landwirtschaft?
Dosch: Sie verbraucht zu viel Energie. Stickstoffdünger ist nur mit fossiler Energie, also Rohöl, herzustellen. Und das wird irgendwann so teuer sein, dass die Produktion nicht mehr bezahlbar ist. Deshalb brauchen wir eine Landwirtschaft, die die Energie aus der Sonne zieht.
sueddeutsche.de: Und das ist das Modell Biolandbau?
Dosch: Ja. Unser Ziel ist, im Kreislauf zu wirtschaften. Ausgehend vom Boden, den Pflanzen, den Tieren zum Lebensmittel. Das Ganze so, dass der Boden keinen Schaden nimmt und mit natürlicher Fruchtbarkeit gute Erträge ermöglicht.
sueddeutsche.de: Ist die konventionelle Landwirtschaft ein Modell von gestern?
Dosch: Es geht jetzt darum zu klären, in welche Richtung sich die Landwirtschaft im Sinne gesellschaftlicher Interessen insgesamt bewegen soll. Dabei geht es um Produktionsmethoden und nicht um die Frage, wer der bessere Mensch ist: "der Biobauer" oder "der Nicht-Biobauer". Der erfolgreich konventionell wirtschaftende Bauer von heute soll der erfolgreiche Biobauer von morgen sein. Wir müssen etwas für den Klimaschutz tun, die Artenvielfalt erhalten und wir müssen sehen, dass Menschen etwas zu essen haben. Das geht durchaus zusammen.
sueddeutsche.de: Eine Milliarde Menschen hungern. Wie können wir die ernähren? Die Industrie propagiert mehr Produktion.
Dosch: Es geht nicht um die Frage, wie wir "die Welt" ernähren. Es geht darum, hungernden Menschen ihr Recht auf Nahrung zuzugestehen. Mehr als die Hälfte dieser notleidenden Menschen sind Kleinbauern. Der im vergangenen Jahr vorgestellte Weltagrarbericht betont aus gutem Grund, dass die Lösung nicht in der Intensivierung der Landwirtschaft, sondern in der Unterstützung einer bäuerlichen Landwirtschaft und dem Aufbau von Infrastruktur liegt.