Sargis Harutyunyan erinnert sich noch genau an den Morgen im Oktober 2020: Mit einem Spaten in der Hand habe er gerade Schützengräben in der Region Martakert ausgehoben, als er ein Wummern hörte. Rund einen Monat dauern die Kämpfe in Bergkarabach damals schon an, einem kleinen Gebiet im Kaukasus zwischen Armenien und Aserbaidschan. Beide Länder führen einen bewaffneten Konflikt um das Land, das völkerrechtlich zu Aserbaidschan zählt, in dem aber vor allem Karabach-Armenier:innen leben. So wie die Familie von Sargis, er ist in Bergkarabach geboren und aufgewachsen, beim Ausbruch des Krieges 2020 - der ab Juli mit einzelnen Kämpfen begann und Ende September eskalierte - ist Sargis in den letzten Zügen seines zweijährigen Wehrdiensts. Der ist für alle Armenier aus Armenien und Bergkarabach verpflichtend.
Was Krieg bedeutet, das weiß er an jenem Oktobermorgen bereits. Doch an diesem Tag sind die Einschläge in unmittelbarer Nähe. Sargis wirft sich auf den Bauch, links und rechts neben ihm explodieren Granaten. Ein aserbaidschanisches Geschoss fällt direkt auf seine Beine. „Als ich mich nicht selbstständig aufrichten konnte, war mir klar, dass ich sie verloren hatte", erzählt Sargis.
Im Frühling 2023 sitzt der 22-Jährige im Büro von „Oqni" in der armenischen Hauptstadt Jerewan. Das junge Start-up will Kriegsversehrten wie Sargis helfen, nach Beinamputationen zurück in ein selbstbestimmtes Leben zu finden. Für Sargis, der mittlerweile in Jerewan lebt, ist es ein besonderer Termin. Zum ersten Mal wird er die neuen Cover für seine Beinprothesen anprobieren. Das Oqni-Team hat sie eigens für ihn entworfen und mit einem 3-D-Printer in der hauseigenen Werkstatt gefertigt.