Ein Journalistenseminar in Berlin- Kreuzberg: Zwölf junge Journalistinnen und Journalisten sind hier, um lernen, wie man richtig über über Minderheiten schreibt. Wie also geht man mit Themen um, in denen es es um Integration, Migration und Flüchtlinge geht? Welche Fallstricke gibt es? Und nicht zuletzt: Was läuft schief in den Redaktionen, wenn es darum geht, Journalisten mit Migrationshintergrund einzustellen?
Einer der Vortragenden an diesem Tag ist Daniel Bax von der taz. Bax schreibt seit vielen Jahren über Migrationsthemen und hat auch schon mehrere Bücher veröffentlicht. Bax meint, dass sich bereits einiges verändert hat - zumindest im Vergleich zu früheren Jahrzehnten: "In vielen Medien sind Journalisten mit Migrationshintergrund dazugekommen und das verändert schon die Perspektive. Man redet anders über Muslime, wenn man muslimische Kollegen hat in der Redaktionssitzung - und das spiegelt sich dann auch in der Berichterstattung wieder."
Frauen in den MedienAnna Maria Wagner leitet beim Deutschen Journalistenverband DJV das Referat "Chancengleichheit und Diversity". Wagner sagt, dass es beispielsweise heute mehr Frauen im Medienbereich gibt, bei Minderheiten allerdings seien die Zahlen ernüchternd. So hat beispielsweise jeder fünfte Einwohner in Deutschland einen Migrationshintergrund, in den Redaktionen jedoch nur jeder Fünfzigste schätzt Wagner - ein Missverhältnis, dass die Gesellschaft nur unzureichend widerspiegelt.
Vor allem die Führungsebenen der Medienhäuser haben Nachholbedarf in Sachen Diversität, kritisiert Anna-Maria Wagner, bei Regionalzeitungen seien rund 95 Prozent der Chefradakteure Männer. Auch deswegen fordert beispielsweise der Verein "ProQuote" einen Frauen-Anteil von 50 Prozent in den deutschen Redaktionen - und zwar auf allen Hierarchie-Stufen. Ein Ziel, das immer noch in weiter Ferne liegt, löbliche Ausnahmen, wie etwa beim Spiegel, Stern und bei der Zeit, sind selten.
Zu viele Klischees und VorurteileUnd doch gibt es Fortschritte in Sachen Diversivität: Der WDR in Köln beispielsweise geht mit gutem Beispiel voran. Dort hat man das Thema bereits 2014 auf die Agenda gesetzt und fördert auch gezielt mehr Einstellungen von Migranten und Migrantinnen. Das klingt erstmal gut. Doch die Realität ist dann doch eine andere, erzählt die WDR-Journalistin Isabel Schayani.
Schayani ist eine deutsch-iranische Fernsehjournalistin, die unter anderem den Weltspiegel in der ARD moderiert und auch in den Tagesthemen kommentiert. Anfangs sei sie mit ihrem fremdländisch klingenden Namen auf Widerstände in der Redaktion gestoßen, erzählt sie: "Da wurde ich gefragt, warum ich nicht den deutschen Namen meines Mannes annehme und gesagt, dass jemand wie ich nicht dazu geeignet sei, Themen wie Rechtsextremismus anzumoderieren." Auch wenn sie Missstände in der Berichterstattung kritisiert und auf Klischees und Vorurteile hingewiesen hat, sei das nicht immer gut angekommen, musste Schayani feststellen
Falsches Bild von MinderheitenDerartige Klischees setzen sich auch in anderen Bereichen fort. Etwa wenn Schwule im Foto-Journalismus oft halbnackt gezeigt werden - eine Anspielung auf sexuelle Ausschweifungen. Auch wird Menschen mit Behinderungen häufig das Etikett "Leid und Leiden" angeheftet. All das sind Phänomene, die zumindest seltener auftreten würden, wenn die Redaktionen bunter und vielfältiger wären, so das einhellige Urteil vieler Wissenschaftler und Medienmacher.
Mehr "Punks" in den RedaktionenDas Thema Diversität treibt mittlerweile viele Redaktionen um - auch die Deutsche Presseagentur, mit Sitz in Berlin. Chefredakteur Sven Gösmann leitet seit fast fünf Jahren die Agentur und gilt als offen für Veränderungen. Im letzten Jahr sagte Gösmann in einem Interview, die dpa brauche mehr "Punks" in der Redaktion, man müsse mehr "Marzahn, weniger Berlin-Mitte" machen, weniger elitär sein, stattdessen näher heranrücken an das Alltagsleben vieler Menschen: "Wir entfernen uns sicherlich von einem Teil der Bevölkerung, andere Dinge erleben und die auch nicht in den großen Ballungsräumen wohnen, sondern auf dem Land. Viele Themen, die Journalisten umtreiben sollten, sind uns in den vergangenen Jahren entgangen."
Hauptproblem, so Gösmann, sei aber, dass es zu wenig Bewerber gebe, die andere Erfahrungen und Blickwinkel mitbringen. Dieses Problem betrifft den Journalismus insgesamt. Und so wird es vermutich noch einige Zeit dauern, bis die Redaktionen genau so vielfältig sind, wie unsere Gesellschaft.