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Zwischen Streaming-Skepsis und Antragsfrust

Die Corona-Krise macht besonders freischaffenden Künstlern zu schaffen. Für viele Musiker steht derzeit nicht das Üben im Mittelpunkt, sondern Anträge ausfüllen - und auf Unterstützung hoffen.


Das letzte planmäßige Konzert hat der Konzertpianist Leonhard Dering am 8. März in Berlin gegeben. Rund 15 geplante Konzerte sind ihm seit Beginn der Corona-Pandemie bereits abgesagt worden. Der freischaffende Pianist gibt und organisiert Konzerte vor allem in Deutschland und der Schweiz und hat bereits am Staatstheater in Mainz gastiert. Finanzielle Unterstützung hat er noch nicht beantragt. Die verfügbaren Angebote entsprächen schlicht nicht seinen Bedürfnissen: "Das Arbeitslosengeld, das viele Bundesländer jetzt anbieten, bezieht man, wenn man keine Arbeit hat. Ich habe Aufträge - aber ich kann sie nicht ausführen." In Rheinland-Pfalz deklariert das Ministerium das Arbeitslosengeld auch als "Corona-Einkommen". Das Ideal wäre für viele Künstler eine Art Ausgleichszahlung: Dering würde am liebsten nachweisen, wie viel Einkommen ihm entgeht, beispielsweise über abgeschlossene Verträge.


Abgesehen von den finanziellen Einbußen, von denen er und seine Kollegen berichten, fehlt ihm aber vor allem das Konzert als Erlebnis. "Ich halte wenig von dem ganzen Streaming", gibt der Musiker zu. "Das ist eine Reduktion der Klang- und Konzerterfahrung und gaukelt einem etwas vor - als würde man das Foto eines Gartens ansehen, anstatt tatsächlich in einem zu stehen. Die Intensität eines Konzerts kann ein Streaming nicht ersetzen." Er selbst findet es bedenklich, dass viele Künstlerinnen ihre Arbeit kostenlos ins Netz stellen. Natürlich sei spannend und auch innovativ, was gerade in diesem Bereich passiere und bringe vielen Menschen klassische Musik niedrigschwellig nahe. Eine Lösung sei es aber nicht - und schon gar nicht erst auf Dauer.


Angebote verschwinden häufig im Netz

Auch Peter Stieber, Präsident des Landesmusikrats Rheinland-Pfalz, berichtet von den sehr unterschiedlichen Rückmeldungen verschiedener Künstler: "Es gibt Musiker, die sich daran nicht beteiligen wollen, aus Prinzip." Und es gebe auch diejenigen, die wie der Pianist Dering befürchten, dass die ständige Verfügbarkeit von Online-Angeboten das Publikum in seiner Haltung beeinflussen könnte. Von der Öffentlichkeitsarbeit im Online-Bereich könnten zwar einzelne Künstler profitieren. "Aber man muss auch ehrlich sagen: Viele dieser Angebote werden nur sehr begrenzt wahrgenommen. Und verschwinden dann im Netz und werden nicht gewürdigt." Immerhin: Sie bieten eine Möglichkeit, die Musik präsent zu halten.

Mindestens genauso wichtig sei allerdings, dass seitens der Landesregierung die wirtschaftlichen Hilfen für Künstler zukünftig besser auf deren Lebensrealität zugeschnitten werden. Es habe zwar sehr schnell Bundeshilfen geben: "Aber wir haben festgestellt, dass ein großer Teil derjenigen, die es am Härtesten trifft, nämlich die Solo-Selbständigen, von diesen Hilfen gar nicht oder nur in geringer Form profitieren", berichtet Stieber. Freiberufliche Musiker gibt es seinen Angaben zufolge rund 5.000 in Rheinland-Pfalz.


Der Landesmusikrat Rheinland-Pfalz

Das Spektrum der gerade stark Betroffenen sei dabei groß. Sorgen macht sich der Landesmusikrat vor allem um die Ensembles, die derzeit nicht auftreten können, aber auch um die zahlreichen auf Honorarbasis arbeitenden Pädagogen. Das schließe nicht nur die privaten Musiklehrer ein, sondern auch die an kommunalen Musikschulen arbeitenden und die vielen freiberuflich tätigen Ensemble- und Chorleiter. "Sie haben gerade keine Auftrittsmöglichkeiten und keine Einnahmen. Aber auch für sie muss ein soziales Sicherungsnetz geknüpft werden, damit ihre Ausfälle kompensiert werden und ihnen eine Perspektive gegeben wird."


Vorbild: Kulturförderung in Bayern und Baden-Württemberg

Die Landesregierung sei zwar guten Willens: "Aber Rheinland-Pfalz ist leider nicht Bayern oder Baden-Württemberg, da wird deutlich mehr für die Kultur getan." Die beiden Ländern haben Programme ins Leben gerufen, durch die Künstler 1.000 bis 1.200 Euro über einen Zeitraum von mehreren Monaten beziehen können - ohne, das komplizierte Anträge ausgefüllt werden müssten. "Das sind Signale, die wirklich wichtig sind. Und das wäre auch in Rheinland-Pfalz sehr schön. Ich kann aber auch sagen, dass wir in einem guten Dialog mit der Landesregierung sind." Der rheinland-pfälzische Kulturminister Konrad Wolf (SPD) habe Stieber bereits mehrfach kontaktiert.

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel habe zwar ein "flammendes Plädoyer" für Künstler gehalten: "Aber wir warten hier ganz dringlich auf Maßnahmen, die Musiker in eine Situation bringt, in der sie als Künstler überleben können und keine anderen Jobs annehmen müssen." Es gäbe aktuell sowohl positive als auch negative Rückmeldungen auf das Corona-Grundeinkommen. Man müsse auch zugeben, dass es Künstler gebe, die sich verweigern, "aus einem gewissen Stolz heraus."


Das Spektrum der gerade stark Betroffenen sei dabei groß. Sorgen macht sich der Landesmusikrat vor allem um die Ensembles, die derzeit nicht auftreten können, aber auch um die zahlreichen auf Honorarbasis arbeitenden Pädagogen. Das schließe nicht nur die privaten Musiklehrer ein, sondern auch die an kommunalen Musikschulen arbeitenden und die vielen freiberuflich tätigen Ensemble- und Chorleiter. "Sie haben gerade keine Auftrittsmöglichkeiten und keine Einnahmen. Aber auch für sie muss ein soziales Sicherungsnetz geknüpft werden, damit ihre Ausfälle kompensiert werden und ihnen eine Perspektive gegeben wird."


Spätfolgen der Pandemie für Musikbranche ungewiss

Stieber weist außerdem auf die Schwierigkeiten nach der Corona-Krise hin: "Wir werden in unserem Land einen großen wirtschaftlichen Einbruch haben. Und das wird auch dazu führen, dass in die Kultur weniger Geld fließt, sowohl von öffentlicher Hand wie von privater Seite."

In Rheinland-Pfalz befänden sich viele Musikschulen in der Obhut der Kommunen, die sie mithilfe von Zuschüssen des Landes finanzierten. Bei sinkenden Steuereinnahmen könnte es für sie eng werden: "Sie fallen unter den Aspekt der freiwilligen Leistungen." Für den Landesmusikrat sei es seit vielen Jahren ein Ärgernis, dass die Kultur in den Kommunen zu den freiwilligen Leistungen gehöre. "Wir befürchten, dass am Ende die Kinder leiden und die Eltern unter Umständen höhere Gebühren zahlen müssen."

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